Kunsthandwerk: In der Lederwerkstatt von Hermès

Beim Betreten der Lederwerkstätten von Hermès wird man von einer wahren Flut von Sinneswahrnehmungen überwältigt. Mit einem Mal kitzelt der Duft von gegerbtem Leder die Nase. Das Auge erblickt einen Regenbogen von Farben, der von Orange über klassisches Braun, Etoupe, Grün, Blauvariationen und Rouge H bis Gelb reicht. Und auch der Tastsinn kommt nicht zu kurz. Das stets weiche Leder offenbart unterschiedlichste Texturen wie das robuste Barenia- oder das fein genarbte Epsom- Leder. Allein der Geschmack geht hier wahrscheinlich leer aus. Denn auch die Ohren kommen in den Genuss des exquisiten Balletts, das sich in den Bieler Werkstätten abspielt, wo sich das Geschick der Handwerkskünstler und die Maschinen freundschaftlich miteinander verbünden, um die schönsten Lederarmbänder zu erschaffen. Hände wirbeln, jeder Handgriff sitzt und bearbeitet mit viel Geschick und Präzision die verschiedenen Lederarten – Ziege, Kalb, Büffel, Strauss oder Alligator – nach einem bestimmten Ritual und spezifischen Techniken.

Alles beginnt mit der sorgfältigen Auswahl des Leders. In diesem Atelier werden weder Falten noch Adern oder Kratzspuren geduldet. Für die beiden Teile des Armbands werden zwei Lederstücke der gleichen Grösse zugeschnitten und abgeflacht, bis ihre Ränder so fein sind wie ein Blatt Papier. Dann werden der obere und der untere Teil des Armbands durch Einkleben eines Stoffstreifens zu einem Ganzen zusammengefügt. Nun kann die Choreografie beginnen, die das Rohmaterial in ein ebenso elegantes wie widerstandsfähiges Armband verwandelt. Zunächst sind Anzeichnen und Anreissen an der Reihe. Dabei werden Nahtlinie und -löcher mit einem Zirkel vormarkiert. Anschliessend führt der Handwerkskünstler mit einem Faden aus Leinen und zwei Nadeln den berühmten Sattelstich-Piqué aus. Jedes Detail zählt, und auch der Armbandkante wird besondere Sorgfalt gewidmet. Sie muss angefast und mit Sandpapier geschliffen werden. Im nächsten Fertigungsschritt entstehen zwei Schlaufen, in die das Bandende gesteckt werden kann. Am Schluss wird jedes Armband mit einem Buchstaben authentifiziert und mit dem Logo des Hauses oder der Punze des Handwerkskünstlers geprägt. Das ultimative Detail ist für den Träger der Uhr unsichtbar: Die Endstiche des Bands formen ein H. Damit wird das Armband, das als zweite Haut erdacht und erschaffen wurde, zum Inbegriff des absoluten Luxus.

Die Uhrenfachjournalistin beleuchtet weniger bekannte Aspekte der Uhrmacherei und präsentiert auch Neuheiten.

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