Interview : Patrick Pruniaux, CEO Ulysse Nardin

Sie haben die Marke im letzten Sommer übernommen. Welche Veränderungen haben Sie seitdem vorrangig durchgeführt?

Zunächst einmal gab es Veränderungen, die uns auferlegt wurden: Der Weggang des ehemaligen CEO Patrick Hoffmann führte dazu, dass uns auch die langjährige Marketing-Direktorin verlassen hat. Für diese äusserst wichtige Stelle habe ich mich an Françoise Bezzola gewandt, die wegen ihrer internationalen Erfahrung in der Kommunikation wichtiger Marken von unschätzbarem Wert für Ulysse Nardin ist, insbesondere wegen ihrer Fachkenntnis bei der Präsentation von Inhalten in einem Markt, der so anspruchsvoll ist wie die USA. Unser Storytelling ist ausbaufähig. Ausserdem müssen wir der Marke durch die Wahl der richtigen Kommunikationskanäle mehr Tiefe verleihen. Aufgrund meines beruflichen Werdegangs bei Apple sprechen Françoise und ich die gleiche Sprache, was es uns wahrscheinlich ermöglichen wird, schneller voranzukommen. Zudem haben wir viel an den Produkten gearbeitet, obwohl sie schon sehr gut waren. Wir haben nur einige Feineinstellungen vorgenommen. Im Verkauf müssen wir ein neues Gleichgewicht suchen, um bestimmte geografische Abhängigkeiten zu vermeiden. Aber wir haben sehr gute Vertriebspartner, und Ulysse Nardin wird für die Einzelhändler weiterhin eine vertrauenswürdige Marke sein. Wir arbeiten an der optimalen Ausrichtung von Produkten, Marketing und Vertrieb, und ich bin für das Jahr 2018 äusserst zuversichtlich.

«Das Publikum wird beim SIHH von der neuen Sichtweise der Marke überrascht sein.»

Inwiefern kann ein Preis beim GPHG einer Marke wie Ulysse Nardin nützen?

Mit dem Preis in der Kategorie Sportuhren können wir eine spezifische Fachkenntnis von Ulysse Nardin in den Vordergrund rücken. In diesem Fall handelt es sich um unser hauseigenes Werk und um die Manufaktur, die übrigens eng mit der Welt des Sports und des Meeres verbunden ist. Alles passt sehr gut zusammen, und es lohnte sich, diese Herausforderung anzunehmen. Aus Kommentaren zur Marine Regatta geht hervor, dass die Uhr trotz ihrer Komplexität überraschend erschwinglich ist. Dies stärkt ausserdem unsere Partnerschaft mit Artemis, dem schwedischen Herausforderer des 35. America’s Cup.

Glauben Sie, dass diese Partnerschaft eine positive Erfahrung war und dass sie 2021 beim nächsten America’s Cup in Auckland fortgeführt werden könnte?

Wir sind mit dieser Partnerschaft sehr zufrieden, zumal der Eigentümer von Artemis und sein ganzes Team Werte vertreten, die den unseren ziemlich ähnlich sind. Sie sind wirklich in die Marke verliebt und tragen unsere Uhren, wie wir bei einem Treffen mit ihnen nach unserer Ankunft feststellen konnten. Es handelt sich um eine echte Partnerschaft. Wir reden nicht von Geld, sondern von der gemeinsamen Beteiligung an einem Projekt. Wir wären folglich bereit, wieder an ihrer Seite zu stehen, falls sie in Neuseeland antreten.

WUlysse-Nardinas sind Ihnen zufolge die wichtigsten Stärken von Ulysse Nardin?

Die Grundlagen sind sehr, sehr solide: Manufaktur, ständige Innovation sowie Forschung und Entwicklung. Ich kann den unbändigen Innovationswillen unserer Teams nur weiterhin ermutigen, auch wenn wir manchmal schneller Neuerungen schaffen als wir sie kommunizieren können! Ich muss darauf achten, dass Innovationen wie beispielsweise der Grinder nicht nur bei unseren Meisterstücken, sondern auch bei den erschwinglicheren Modellen zum Einsatz kommen. Der Stoff für eine Story ist gegeben, aber wir müssen viel mehr davon erzählen.

Welche der existierenden Kollektionen repräsentieren die Marke am besten und bergen gleichzeitig ein grosses Entwicklungspotenzial?

Ich sehe ein grosses Potenzial in der Kollektion Marine, insbesondere im Modell Torpilleur. Ich denke, dass die Freak ein Monoprodukt ist, sich aber an ein breiteres Publikum wenden kann. Übrigens veranlassen mich die Reaktionen der Sammler bezüglich der grossen Komplikationen zu der Annahme, dass wir hier noch über ein grosses Potenzial verfügen.

Werden Sie den SIHH* als Gelegenheit für einen Kurswechsel bei Ulysse Nardin nutzen?

Wir werden das weiterentwickeln, was wir in diesem Jahr angefangen haben und das den Kunden gut gefiel. Wir werden dabei verstärkt am Image und an der Kohärenz dessen arbeiten, was wir zu erzählen begonnen haben. Wir sind eine bescheidene Marke und werden folglich keine leichtfertigen Versprechen machen, aber ich denke, dass das Publikum von der modernen Sichtweise und unserem neuen Ansatz überrascht sein wird.

«Die Grundlagen von Ulysse Nardin sind sehr, sehr solide.»

Nach zehn Jahren bei TAG Heuer sind sie losgezogen, um sich um die Apple Watch zu kümmern. Wird Ihnen diese Erfahrung heute nützlich sein?

Die Erfahrung bei Apple vermittelt einem im Allgemeinen eine andere Sichtweise. Diese Marke ist praktisch für alle Branchen eine Inspiration, sowohl was die Kundenorientierung als auch die Produktinnovation, ihr Selbstvertrauen als Marke, ihre kompromisslose Art in ihrem Management sowie ihren Kreationen und ihren Kommunikationsstil angeht. Das hat die Überzeugungen, die ich bereits hatte, verstärkt, und ich habe viel gelernt. Ihr extrem hoher Entwicklungsstand hat mich genau wie die Geschwindigkeit der Produkterneuerung inspiriert und angeregt, über das nachzudenken, was in der Uhrmacherei manchmal fehlt: Die Kundenerwartungen werden nicht genügend berücksichtigt, insbesondere in praktischer Hinsicht. Ich denke da an ganz einfache Sachen wie Tragekomfort oder Lesbarkeit. Und schliesslich ist auch ihr Kommunikationsstil für mich ein Vorbild.

* mehr unter worldtempus.com im Dossier SIHH

Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

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