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Patrick Pruniaux – CEO, Girard-Perregaux & Ulysse Nardin

Vor einem Jahr haben Sie die Leitung von GP übernommen. Wo steht die Marke heute?

Sie verfügte bereits – insbesondere in Bezug auf die Produkte – über eine sehr gute Grundlage, die ich von meinen Vorgängern geerbt habe. Wir haben damit begonnen, die Geschäftsleitung zu verstärken, aber Girard-Perregaux kann auf allen Ebenen auf motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählen. In unseren Teams herrscht ein guter Geist. In den vergangenen sechs Monaten haben wir umfangreich an der Marke gearbeitet, was im Augenblick nur zum Teil sichtbar ist. Sie musste analysiert werden, und wir mussten uns sicher sein, dass ihre Botschaft stimmig ist. Wir haben zum Beispiel das Logo verändert: Es wurde einfacher und moderner gestaltet mit der Brücke, die die 225 Jahre alte Geschichte, die Fachkenntnis im Bereich der Zeitmessung und ihre Exklusivität verbindet, die wir dauerhaft sichern müssen. Es handelt sich hier um eine exklusive Marke. Wir sollten nicht versuchen, universell zu sein. Im Übrigen konzentriert sich unser Umsatz stark auf hochwertige Verkaufsstellen und wichtige Einzelhändler wie Bucherer, Wempe oder The Hour Glass. Wir legen grossen Wert darauf, unseren Status als loyaler und verlässlicher Partner zu behalten und zu verstärken, und haben nicht vor, eigene Geschäfte zu eröffnen.

Welches sind die grössten Trümpfe von GP, die den Kunden von heute überzeugen könnten?

Die Produkte existieren bereits, und wir sind sehr zuversichtlich. Falls Sie sich an unser am SIHH 2019 vorgestelltes Konzept Laureato Carbon Glass erinnern, wird es Sie freuen, dass wir es inzwischen gut genug meistern, um die Sonderausgabe Laureato Absolute Rock mit 100 Chronographen zu einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis lancieren zu können. Dieser neue, besonders widerstandsfähige und leichte Karbontyp ist auch ohne Container wasserdicht. Durch seine spektakuläre blau-schwarze Äderung ist er einfach einzigartig. Wir werden viele aufregende Modelle herausgeben. Die Werte der Marke werden von Kennern wahrgenommen, aber der Endkunde hat im Allgemeinen bestimmt mehr Erklärungsbedarf. Girard-Perregaux zeichnet sich durch diese Harmonie zwischen uhrmacherisch anspruchsvollem Inhalt und Design als Herzstück des Erbguts der Marke aus. Und auch durch eine lässige, italienische Eleganz. Heute lohnt es sich hinsichtlich des Produktionsvolumens sicher mehr, zu einem auserwählten Club exklusiver Marken zu gehören als zu den Häusern, die eine Million Exemplare verkaufen. Wenn ich sehe, dass jemand eine Girard-Perregaux trägt, weiss ich, dass ein Kenner vor mir steht. Wenig zu produzieren ist ein wichtiges Plus. Es liegt an uns, die Stärken der Marke zu erklären.

«Wir stärken die Kohärenz der Marke Girard-Perregaux und verdichten ihre Botschaft.»

Wie tritt GP 2020 auf? Befindet sich die Marke an einem Wendepunkt?

Girard-Perregaux wird sich behaupten. Wie gesagt sind die Produkte gut, und es besteht kein Bedarf an einer neuen Kollektion. Es genügt, die bereits bestehenden auf der Grundlage unserer Stärken auszubauen: Wir müssen unsere Grundpfeiler mit gewissen Aktionen verstärken, Stabilität schaffen und unsere Geschichte erzählen. Wir verfügen bereits über zwei markante geometrische Achsen: die Brücken, insbesondere in der Kollektion Bridge, und das Achteck der Kollektion Laureato. Meiner Ansicht nach repräsentieren diese beiden Kollektionen die Marke in einem hohen Mass. Wir müssen stärker daran arbeiten, sowohl auf traditionelle als auch auf moderne Art und Weise. Die an der Miami Watches & Wonders vorgestellte Quasar mit Saphirgehäuse verdeutlicht diesen Willen. Sie wurde vom vorherigen Team ins Leben gerufen, aber ich finde sie sehr interessant. Übrigens ist Stefano Macaluso* ein guter Freund geworden, der weiterhin eng mit GP zusammenarbeitet. Wir entwickeln zusammen einige Projekte zur Erhaltung der Wurzeln der Marke. Parallel dazu haben wir in die Manufaktur investiert, genau wie in die Villa Girard-Perregaux, die wir in ein Museum verwandeln möchten. Wir leisten eine riesige Grundlagenarbeit an unserer Identität.

*Gelernter Architekt und ehemaliger Produktverantwortlicher

«Ulysse Nardin wartet mit vielen Innovationen auf: neue Kommunikation, aber auch fünf neue Kaliber.»

Kommen wir zur Marke Ulysse Nardin, in die Sie in den letzten zwei Jahren sehr viel Energie gesteckt haben. Entsprechen die Ergebnisse Ihren Erwartungen?

Jetzt, wo Sie die Frage stellen: Ja, absolut! Ulysse Nardin hat ein hohes Mass an Kohärenz und Übereinstimmung zwischen Geschichte, Marke, Produkt und Vertriebswegen erreicht. Das muss fortgeführt werden. Darüber hinaus ist es eine Marke mit grosser Innovationskraft, sei es in Bezug auf die Kommunikation oder auf die Produkte, wie die fünf neuen Kaliber in diesem Jahr belegen. Sie befinden sich in so unterschiedlichen Uhren wie der Marine Mega Yacht, der Freak X als Favoritin der Asiaten, der bei Amerikanern sehr beliebten Skeleton X oder der Freak NeXt mit ihrem riesigen Oszillator ohne zentrale Drehachse. Unsere authentische, differenzierte und moderne Botschaft kommt bei Endkunden, Händlern und Medien gut an, und sie spiegeln diese neue Dynamik wider. Um die Aussagekraft unserer Kommunikation in den Kernmärkten zu fördern, haben wir zwei Geschäfte in China und Genf eingeweiht. Insgesamt sind es jetzt 20, aber Ulysse Nardin hat nicht vor, noch weitere zu eröffnen. Wir möchten unser Vertriebsnetz aus Einzelhändlern behalten. Es bestehen hervorragende Gelegenheiten, und wir verfügen über ein grosses Wachstumspotenzial. Und da wir nur die Hälfte von dem erzählen, was wir tun, haben wir noch viel Luft nach oben! Ich habe übrigens das grosse Glück, auf ein talentiertes Team mit hochgesteckten Ambitionen für die Marke zählen zu können.

Auf Ihrer Website findet jeder mithilfe des Konfigurators «Find your Ulysse Nardin» die passende Uhr. Ist das für Sie auch eine Informationsquelle?

Auf jeden Fall. Wir haben unseren digitalen Wandel vorangetrieben, um korrekt mit den Verbrauchern kommunizieren zu können. Das ist für mich das A und O. Die Kundenerfahrung beginnt jetzt schon online. Sie muss vereinfacht werden, und das ganz ohne Tabus. Dazu haben wir uns von Beispielen aus der Uhrmacherei und auch aus anderen Welten inspirieren lassen. Wir sind alle Verbraucher, und es gibt für uns keinen Grund, unterschiedlich zu handeln, wenn wir eine Uhr, ein Auto oder andere Gegenstände bzw. Dienstleistungen aus dem Luxussegment kaufen. Auf oberster Ebene muss man Träume, aber auch Zweckmässigkeit anbieten können und das dann an die Geschäfte weitergeben, sodass der Endkunde das Produkt sehen und berühren kann. Wenn der Kunde die Uhr sieht oder die Manufaktur besucht, gibt es keine Fragen mehr.

Hat die diesjährige Lancierung eines gemeinsamen Faktors X in den Kollektionen Freak und Skeleton das Interesse der Öffentlichkeit geweckt oder hat sie sie vielmehr verwirrt?

Es handelt sich hierbei um eine Facette, die der Markenbotschaft Nachdruck verleihen soll. Der Faktor X verweist auf moderne Art auf eine komplexe Technik. Ein einziger Buchstabe versinnbildlicht die bereits bestehenden Markenwerte. Manche Leute bekommen sofort eine klare Vorstellung der Technik und des Designs der Marke. Das gilt auch für unsere Freak X Only Watch.

Die Meereswelt ist tief im Erbgut von Ulysse Nardin verankert. Kann diese Inspirationsquelle sowohl der Kreativität als auch der Innovation dienen?

Es ist vor allen Dingen ein anspruchsvolles und sehr oft authentisches Universum. Es bringt uns dazu, nachzudenken, und kann genauso technisch wie poetisch sein. Das konnten wir in diesem Jahr bei unserer Classico Manara im Bereich des Kunsthandwerks erkennen, aber auch schon früher bei den Diver-Chronographen des America’s-Cup-Herausforderers Artemis Racing. Wir nutzen Entdeckungen, zum Beispiel beim Foilen, um mehr Komfort, Leichtigkeit und Widerstandsfähigkeit als wichtige Parameter im Segelsport zu erzielen.

Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

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