Raymond Loretan : Präsident der Fondation du Grand Prix d’Horlogerie de Genève

«Bei Uhren dreht sich alles um Emotionen.»

Wie fanden Sie Ihre erste Preisverleihung als Präsident?

Diese Preisverleihung war in vielerlei Hinsicht ein voller Erfolg. Es war einerseits ein sehr bewegender Abend, was für die Zeremonie an sich schon sehr wichtig ist. Ausserdem kommt dadurch die Leidenschaft der Redner zum Ausdruck und wird auf das Publikum übertragen. Diese emotionale Dimension spielt eine ausserordentlich wichtige Rolle, denn um über Uhrmacherei zu sprechen, braucht man Emotionen. Was den Ablauf betrifft, so hat die für ihre Länge bekannte Zeremonie zu einem hervorragenden Rhythmus gefunden und war mitreissend, interessant, lustig und rührend zugleich. Aber es gibt immer Raum für Verbesserungen. Die Entscheidungen über die Preise fällt die Jury. Es wäre nicht im Sinne der Neutralität des Grand Prix, wenn ich eine Beurteilung abgäbe. Wie dem auch sei dienen diese Entscheidungen auch dazu, die Uhrenindustrie als Ganzes zu fördern, und durch die Einführung der Kategorien Challenge und Kühnheit konnte das Spektrum erweitert werden.

Sind Sie der Meinung, dass die grossen Uhrenmarken ausreichend vertreten sind?

Natürlich möchte der GPHG die Uhrenindustrie im weitesten Sinne repräsentieren. Dazu gehören auch die grossen Marken. Sie waren in der Endauswahl übrigens sehr stark vertreten. Einige haben aber noch Bedenken, und wir müssen darauf achten, dass die Rahmenbedingungen des Grand Prix es ihnen ermöglichen, ihren Platz zu finden. Die Förderung der gesamten Branche kommt allen Marken zugute, auch den grossen. Sie profitieren ebenfalls von der internationalen Ausstrahlung dieser Veranstaltung. Und jedes Jahr hat jeder eine neue Chance. Die Expertenjury ist unabhängig und trifft ihre Wahl nach bestem Wissen und Gewissen.

Sie haben auf der Bühne eine voraussichtliche Änderung des Auswahlverfahrens angesprochen.

Das ist ein heikles Thema, mit dem sich der GPHG seit einiger Zeit zusammen mit der kleinen Expertengruppe befasst, die dem Stiftungsrat die Kategorien und Jurymitglieder vorschlägt. Wie ich während der Zeremonie sagte, ist es an der Zeit, unser Auswahlverfahren in Frage zu stellen: Sollte man das für die Auswahl zuständige Gremium, in diesem Fall die derzeitige Jury, erweitern? Oder die Kriterien für die Selektion der Uhren besser definieren, um eventuelle Übergewichtungen einiger Markenprofile zu vermeiden, die den Markt nicht ausreichend repräsentieren? Objektiv gesehen umfasst die 30-köpfige Jury sehr kompetente Führungspersönlichkeiten, das zweistufige Wahlverfahren ist unter Kontrolle, und der Ablauf der diesjährigen Ausgabe war überzeugend. Wir brauchen nichts zu verändern nur weil wir denken, dass etwas verändert werden muss. Wir werden weiter intensiv darüber nachdenken, und wenn die Zeit gekommen ist, möchte ich die Uhrenmarken bezüglich eines möglichen neuen GPHG-Modells zu Rate ziehen.

Was erwarten die Uhrenmarken Ihrer Meinung nach vom GPHG?

Sie erwarten mehrere Dinge: In erster Linie muss der GPHG unabhängig von den Preisträgern der beste Botschafter für die Branche sein, und wir müssen unseren internationalen Auftritt verstärken. Bei unseren Ausstellungen in Venedig, Hongkong oder Singapur zum Beispiel waren die Gäste unserer Privatveranstaltungen, die die Uhren in die Hand nehmen durften und dabei Erklärungen von einem Experten erhielten, begeistert. Der Marketingeffekt dieser Pop-up-Veranstaltungen zugunsten der nominierten Marken erweist sich als sehr gewinnbringend. Das Interesse der Medien ist gross, und wir haben ihnen sehr viel Zeit gewidmet. Unsere Aufgabe besteht auch darin, die Kunden und vor allem die leidenschaftlichen Uhrensammler von morgen zu schulen. So haben wir in Singapur rund 30 Schüler der Singapore Technical University zu unserer Ausstellung eingeladen, deren Faszination für die Technik, das Design und die Ästhetik der Uhren mich schwer beeindruckt hat. Während unserer zehntägigen Ausstellung im Genfer Museum für Kunst und Geschichte haben wir den Besuchern ebenfalls Workshops angeboten, in denen erklärt wurde, was eine Uhr ist. Schliesslich möchte ich sagen, dass der GPHG mit seinem Non-Profit-Ansatz gegenüber anderen Kommunikationsplattformen wie den Messen als Bindeglied auftreten könnte. Wir werden den Dialog diesbezüglich intensivieren.

Und das Publikum?

Das Publikum des GPHG hat viele verschiedene Facetten. Aber alle erwarten mit Spannung die Oskars der schönsten Uhren dieser Welt. Inzwischen interessieren sich mehrere Märkte, insbesondere Russland und China, für eine Liveübertragung der Preisverleihung. Das Format der Zeremonie ist also von grösster Wichtigkeit. Die Uhrenhersteller wünschen sich eine repräsentative Selektion der schönsten Uhren, wobei aber auf die Auswahlkriterien geachtet werden muss, damit nicht ein Teil dieser Branche das Interesse verliert. Der GPHG sollte für sie wie eine schöne Familienfeier sein, auf der globale Kontakte geknüpft werden können, wie eine grossartige jährliche Veranstaltung für alle Vertreter der Uhrenindustrie.

Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

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