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Thierry Stern – CEO, Patek Philippe

«In unserer neuen, 100 000 m2 grossen Manufaktur ist ein ganzes Stockwerk der Ausbildung gewidmet.»

Seit 2012 konnte Ihre Ausstellung Watch Art Grand Exhibition schon in Dubai, München, London, New York und in diesem Jahr in Singapur bewundert werden. Konnten Sie die Auswirkungen auf die Öffentlichkeit spüren?

Tatsächlich ziehen diese Ausstellungen zwei wesentliche Effekte nach sich. Es ist erwähnenswert, dass sie sich weiterentwickelt haben und dass für jede von ihnen eine Sonderserie herausgegeben wurde. Die Singapur-Auflage betrifft sieben Länder der Region, die sie besonders wertschätzen und die den Werten eines Familienunternehmens grosse Bedeutung beimessen. Wir haben gemerkt, dass die Watch Art Grand Exhibition sowohl Sammler als auch Laien anspricht, die aus Neugierde oder aufgrund der Schönheit der ausgestellten Stücke angezogen werden. Danach sieht die breite Öffentlichkeit nicht mehr nur zwei Zeiger auf einem Zifferblatt, sondern versteht die Marke, die Geschichte, die Qualität, das Werk und die Arbeit, die hinter einer Uhr hoher Uhrmacherkunst steckt. Diese neuen, potenziellen Kunden glauben an die Marke Patek Philippe, deren Image gestärkt wird. Aber von dieser Sensibilisierung für unsere Berufe profitiert die gesamte Uhrmacherei. Darunter sind auch Jugendliche und Frauen, die die Technik oder die Ästhetik würdigen. Übrigens können wir für mindestens zwei Jahre nach jeder Ausstellung ganz konkret eine steigende Nachfrage bei den Einzelhändlern der jeweiligen Region messen.

Sie beziehen nach und nach ihre neue, 100 000 m2 grosse Manufaktur. Was wird sie Ihnen ermöglichen?

Eine Steigerung der Produktionsmengen? Das steht bei uns nicht an erster Stelle, denn die Patek-Philippe-Qualität ist nicht mit grossen Mengen vereinbar. Dieses Bauwerk war schon seit Jahren in Planung, denn wir möchten alle Tätigkeitsbereiche wieder unter einem Dach vereinen. Das Gebäude in Perly war langsam überlastet und alt. Das gleiche gilt für das, das wir von unseren Nachbarn in Plan-les-Ouates übernommen haben. Und es wurde anstelle von fünf während zehn Jahren genutzt. Wir haben sowohl in die Langlebigkeit von Patek Philippe als auch in den Komfort sowie die Sicherheit unserer Mitarbeiter investiert. Sie verfügen über mehr Platz und leisere Räume. Wir haben nicht nur alle Berufe und über 1600 Mitarbeiter vereint und dabei unsere Effizienz gesteigert, sondern auch die Zukunft von Patek Philippe gesichert, indem wir die Kundendienstkapazitäten erhöht und eine ganze Etage für die Ausbildung vorgesehen haben. Davon profitieren die Uhrmacher, aber auch die Aussendienstmitarbeiter und Einzelhändler sowie die Emailleure, Graveure, Regleure usw. Die Forschung und Entwicklung benötigt ebenfalls viel Platz. Jeder Bereich verfügt über eine Ausbaureserve. Natürlich werden die Prozesse optimiert, und das bringt uns hinsichtlich der Produktion auch weiter, aber wir erwägen kein Wachstum von über 2-3 % im Jahr. Patek Philippe wird mehr kompliziertere Produkte anbieten, da unsere Kunden von schönen und nützlichen Komplikationen überrascht werden möchten.

«Als ich die langfristige Vision von Luc Pettavino begriff, spürte ich die Motivation, ein Programm mit Einzelstücken aufzubauen, das nach und nach an Bedeutung gewinnt.»

Welche Modelle würden Sie Kunden empfehlen, die nicht jahrelang auf eine Nautilus warten möchten?

Glücklicherweise gibt es das Phänomen «Warteliste» nur bei der Nautilus. Dabei hatte sie am Anfang überhaupt keinen Erfolg! Bei den einfachen Uhren finde ich für Urlaub und Sport oder sogar zu einem Anzug das Basismodell der Aquanaut sehr angenehm. Selbstverständlich brauchen alle Neuheiten in den ersten beiden Jahren etwas Geduld. Was die komplexeren Uhren angeht, finde ich, dass die Jahreskalender sehr schön sind und über vernünftige Preise sowie nützliche Funktionen verfügen. Ich empfehle insbesondere die 5205 mit durchbrochenen Hörnern und die QP 5320 mit Vintage-Touch, die in meinen Augen eine perfekte Verkörperung der Marke ist. Sie ist die Quintessenz der Patek-Uhr aus meiner Kindheit: der Uhr, die mein Vater geschaffen und die ich aktualisiert habe.

Auf welche Neuheit 2019 sind Sie besonders stolz?

Meine Rolle besteht darin, Neues anzubieten. Im Leben muss man Wagnisse eingehen können – unter Berücksichtigung der Gestaltungscodes natürlich. Mein Vater und das ganze Team hier haben mich gut ausgebildet. Wenn ich eine Neuheit schätze, die völlig neue Wege geht, ist es immer noch eine Patek, denn ich selbst bin auch ein Patek-Erzeugnis. Hätte ich auf interne Gremien und nicht auf meine eigene Intuition gehört, hätten wir nie den Wochenkalender 5212A herausgegeben, der sofort auf positive Resonanz stiess. Es tut mir nur leid, dass man etwas lange auf ihn warten muss, auch wenn davon mehr Exemplare gefertigt werden als von der Nautilus. Dasselbe gilt für die anspruchsvolle Alarm Travel Time 5520P mit vier Kronen, deren vier Patente belegen, dass ihre Herstellung wesentlich aufwendiger ist als die einer Minutenrepetition! In einem völlig anderen Register freue ich mich sehr über unsere neue Twenty~4 Automatik, deren Schaffensprozess extrem schwierig war.

Verzeichnet die Damenkollektion Komplizierte Uhren, die im vergangenen Jahr durch den Chronographen mit Handaufzug 7150/250R bereichert wurde, den erwarteten Erfolg?

So ist es. Damenuhren entsprachen immer 30 % des Umsatzes. Diese Zahl nimmt jetzt etwas zu. Ich würde gerne 40 % erreichen, denn viele Damen interessieren sich für die Werke, vor allem in Asien und in Deutschland zum Beispiel, obgleich die ästhetischen Gesichtspunkte und die Stärke der Marke weiterhin überwiegen. Es handelt sich immer noch um seltene Stücke, denn die Qualität steht über allem, und das verstehen sie. Die Feinheit des Werks steht an oberster Stelle. Diesen Aspekt beherrschen wir besonders gut. Was die Höhe und den Durchmesser der Werke angeht, bin ich unnachgiebig. Es liegt zweifellos an uns, uns noch besser an den zeitgenössischen Geschmack anzupassen – mit Farben, die die jüngere Generation begeistern, oder mit gewagteren Armbandmaterialien. Die Aquanaut eignet sich gut dafür, und die Damen bevorzugen sie natürlich mit Diamantbesatz. Der Wandel wird langsam vor sich gehen, denn wir möchten unsere Kunden nicht verwirren.

Ihre Grandmaster Chime in Stahl mit 20 Komplikationen für die Only Watch sorgt bei den bedeutendsten Sammlern für Begeisterungsstürme. Wie sah der konzeptuelle Ansatz aus?

Das Projekt wurde eigentlich von Anfang an, während der ersten Gespräche mit Luc Pettavino, eingeleitet. Nachdem wir seine langfristige Vision erfasst hatten, war ich motiviert, ein Programm von Einzelstücken aufzubauen, das nach und nach an Intensität gewinnt. Jedes Mal ein bisschen mehr. Das sollte auch andere Marken anspornen, sich den gleichen Herausforderungen zu stellen. Alle haben auf ihre ganz eigene Art mitgemacht. Die Grandmaster Chime wird auf 2,5 bis 3 Mio. geschätzt, und wir erwarten, dass sie ein lebhaftes Interesse wecken wird. Die Inschrift «The Only One» auf dem Zifferblatt ist ein zusätzlicher Fingerzeig. Ich hätte früher darauf kommen und alle Exemplare damit ausstatten sollen. Jetzt ist es perfekt. Für den Kunden ist es schön zu wissen, dass es die Einzige ist.

In welchem Masse ist Patek Philippe von der weltweiten konjunkturellen Unsicherheit betroffen?

Ehrlich gesagt wenig. Das ist der Vorteil einer kleinen Produktion. Denn bei 60 000 Uhren im Jahr kann man die Produkte von einem Land mit schwieriger Marktlage wie z.B. Hongkong in die USA oder nach Europa verlagern. Diese Regionen freuen sich. Ausserdem hatten wir die Zahl der Einzelhändler in den letzten Jahren von 750 auf 440 reduziert, damit den besseren Händlern mehr Uhren zugeteilt werden. Ich hoffe trotz allem, dass diese Situation nicht lange andauert und dass Hongkong diese Leidenschaft für Uhren bewahrt. Patek Philippe hat das Glück, auf Kunden zählen zu können, die in hochwertige Produkte investieren. Solange wir ihnen neue Produkte anbieten, die ihre Herzen höher schlagen lassen, werden wir diese auch verkaufen. Man muss langfristig denken, und wir haben Zeit. Übrigens besucht mein 16-jähriger Sohn Tristan seit diesem Jahr die Uhrmacherschule in Genf im Wechsel mit einer Ausbildung in unserer Manufaktur. Ich war angenehm überrascht, denn ich habe ihn überhaupt nicht dazu ermuntert. Aber er spricht seit vier Jahren über Uhren, und es ist seine Entscheidung.

Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

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