Prüfstand : Audemars Piguet Code 11.59 Chronograph

Gerade erst haben wir das geschäftige Treiben des SIHH hinter uns gelassen und freuen uns bereits darauf, in diesem Prüfstand eine der Neuheiten zu prüfen, die während dieser grossen Genfer Abendgesellschaft in absolut aller Munde waren. Der SIHH war noch nicht einmal offiziell eröffnet, als bereits ein wahrhaftiger Medienrummel um eine neue Kollektion der Marke aus Le Brassus wütete. Im Falle einer Marke, die bisher im Wesentlichen von ihrer emblematischen Royal Oak abhängig war, musste ein solches Ereignis starke Emotionen wecken. Und das tat es auch. Kritiker und Fans echauffierten sich in den sozialen Netzwerken und verteidigten ihre Ansichten. Wir möchten hier, fernab aller Emotionen, einen möglichst objektiven und pragmatischen Standpunkt einbringen, damit sich jeder seine eigene Meinung über diese Kollektion und insbesondere über den Gegenstand dieses Prüfstands, den Chronographen Code 11.59, bilden kann.

AUSSTATTUNG:

Ausstattung und Design dieser Kollektion riefen am meisten Reaktionen hervor. Auf den ersten Blick ist die Uhr rund. Betrachtet man sie jedoch von der Seite, stellt man fest, dass das Design dieser Uhr komplexer ist als es scheint. Die vorspringenden Elemente Boden und Lünette sind kreisförmig, und ihre Seiten – genau wie die des Mittelteilbands – satiniert. Letzteres besitzt die für die Kollektion Royal Oak charakteristische achteckige Form. Handelt es sich hierbei um mangelnde Inspiration oder im Gegenteil um eine bewusste Entscheidung, die auf die Erschaffung einer stilistischen Signatur abzielt? Antworten gibt es auf diese Frage viele, und die Zukunft wird Aufschluss über die Richtigkeit dieser Wahl geben. Besonders elegant muten die zwei breiten, polierten Streifen an, die sich jeweils zwischen Mittelteil und Lünette bzw. Boden befinden. Die durchbrochenen Bandanstösse sind, wenn auch nicht ungewöhnlich oder revolutionär, so doch mit dem Stil im Einklang und bilden eine harmonische Fortsetzung des Gehäuses. Dieses fällt bei einem idealen Durchmesser von 41 mm mit einem beinahe unmerklichen Detail auf, das dennoch die Identität dieser Kollektion festigt: Das runde Saphirglas ist doppelt gewölbt. Dabei ist der Krümmungsradius der Horizontalachse (von 9 nach 3 Uhr) viel kleiner als der der Vertikalachse (von 12 nach 6 Uhr). Indexe und Zeiger heben sich ihrerseits zart und elegant vom prächtigen, blau lackierten Zifferblatt unseres Modells ab.

Obgleich das Design an sich nicht revolutionär ist, entspricht es doch durchaus der Identität der Marke aus dem Vallée de Joux und wird auch den zurecht an eine solche Kollektion gestellten qualitativen und stilistischen Erwartungen gerecht.

WERK:

Es handelt sich um das neue Kaliber 4401. Das Werk ist ein automatischer Flyback-Chronograph, der neben den traditionellen Anzeigen über einen Kalender mit Sofortumsprung in einem Fenster verfügt. Die Steuerelemente werden von einem Säulenrad dirigiert, das Ensemble wiederum wird von einer mit 28 800 Halbschwingungen pro Stunde schwingenden Unruh geregelt. Die Vollendungen werden sowohl denen früherer Kaliber von Audemars Piguet als auch den Qualitätsstandards der hohen Uhrmacherkunst gerecht, und die Gangreserve entspricht mit optimalen 70 Stunden ebenfalls den heutigen Massstäben.

TESTS:

Dieser Chronograph ist durch und durch aktuell. Falls es dieser Kollektion gelingt, neben der grossen Royal-Oak-Familie Fuss zu fassen, dann steht diesem Modell aufgrund seiner technischen Relevanz, seines Stils und seiner vernünftigen Dimensionierung eine glänzende Zukunft bevor. Es könnte sich sogar als eine der neuen Speerspitzen der Marke etablieren. Unsere Messungen zeigen, dass die Gangergebnisse den Standards der hohen Uhrmacherei entsprechen. Die technischen Entscheidungen wie das Säulenrad oder der konventionelle Antrieb des Chronographen sollten eine vertrauenerweckende Zuverlässigkeit garantieren.

Die gemessenen Ergebnisse sind unserer Ansicht nach zwar etwas zu negativ, aber es handelte sich um ein Exemplar, dass den SIHH «erleiden» musste, und die sehr eng beieinanderliegenden Zahlen können deshalb als beruhigend gewertet werden. Die Ergonomie des Gehäuses bietet optimalen Komfort, und die gemessenen Werte der Gangreserve übertrafen systematisch die auf dem technischen Datenblatt angekündigten 70 Stunden.

Die Lesbarkeit ist zugegebenermassen nicht optimal. Alle Zeiger sind schmal, und die Zeiger der Chronographenfunktion unterscheiden sich nicht von denen der Uhrzeit. Einige werden mit Bedauern feststellen, dass hier ganz klar die Entscheidung getroffen wurde, die Lesbarkeit der Gesamtästhetik zu opfern. Die Chronographendrücker weisen einen fast nicht enden wollenden Freilauf auf, bevor sie mit ihrer entsprechenden Wippe in Kontakt kommen. Das ist zwar nur ein Detail, aber es ist der hohen Uhrmacherkunst nicht wirklich würdig und könnte beim Starten und Stoppen des Chronographen zu Ungenauigkeiten von einigen Hundertstelsekunden führen. Es ist jedoch leicht zu verbessern und könnte bei der Serienfertigung behoben werden.

Besonders schätzenswert ist die Flyback-Funktion. Und zwar über den funktionalen Aspekt hinaus vielmehr aus Sicherheitsgründen. Tatsächlich verwendet heutzutage kein Pilot mehr diese Funktion. Sie bietet jedoch den grossen Vorteil, dass sie eine unangebrachte (und ungewollte) Nullstellung verhindert, während die Zeit gemessen wird.

 

Der erfahrene Uhrmacher analysiert eine Uhr während einer Woche auf seinem Prüfstand, um den an technischen Details interessierten Lesern sein Fazit darzulegen.

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