Mikrorotor, Maximöglichkeiten

Klein aber fein und weit verbreitet. Der Mikrorotor erfreut sich dank seiner zahlreichen Vorzüge grösster Beliebtheit.

Rotor-4Der Mikrorotor dient zum Aufzug von Automatikwerken und unterscheidet sich von herkömmlichen Rotoren durch seine Grösse, Form und Position. Normalerweise ist die Schwungmasse eine flache Halbscheibe oberhalb des Werks. Der Mikrorotor ist eine kleine, dicke und in die Werkshöhe integrierte Halbscheibe. Er wurde 1957 fast gleichzeitig von Buren und Piaget erfunden und anschliessend vom Schweizer Uhrenunternehmen Universal Genève bekannt gemacht, das seinen bereits 1954 patentieren liess. Ziel ist eine verbesserte technische Leistung sowie natürlich mehr Flachheit. Beides ist heute aktueller denn je. Von den drei ursprünglichen Erfindern hat nur Piaget an der Nutzung des Mikrorotors festgehalten, der beim zweiten Wettstreit um grösstmögliche Flachheit im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ausschlaggebend war. Zu den drei Akteuren gesellte sich 1977 ein vierter und heute allgegenwärtiger: Patek Philippe. Mitten in der Quarzkrise entwickelte die Marke das ultraflache, nach seiner Höhe benannte Automatikkaliber 240. Das Unternehmen hatte eigens dafür den Kaliberentwickler von Universal eingestellt. Das zeigt, wie wichtig Erfahrung bei der Entwicklung dieser sehr speziellen Kaliber ist.

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ZWEITE JUGEND

In den 2000er-Jahren begleitete das Streben nach Perfektion und Diversifizierung die Renaissance der Uhrmacherei. Mehrere Marken wählten den Mikrorotor trotz seiner natürlichen Nachteile, um sich von der Masse abzuheben. Mit seinem geringeren Trägheitsmoment als bei einem normalgrossen Rotor zieht er das Federhaus auch weniger gut auf. Das brandneu von Montblanc eingeweihte Kaliber mit Mikrorotor bedarf beispielsweise für einen kompletten Aufzug eines elfstündigen Cyclotests als Simulation des täglichen Tragens statt der acht Stunden für einen Standardautomatikaufzug. Als Ausgleich wird der Mikrorotor aus sehr schweren Werkstoffen gefertigt: Wolfram, 22 Karat Gold oder Platin für die prestigeträchtigsten Versionen. So verfügen diese Kaliber über eine herkömmliche, wenn nicht sogar komfortable Gangreserve. Das gilt für mehrere Werke von Roger Dubuis, das von Hermès, Richard Mille und Parmigiani verwendete Kaliber 5401 von Vaucher sowie das Kaliber 1.98 von Chopard mit 65 Stunden Gangreserve.

EXPANSION

Rotor-22002 entwickelte Girard-Perregaux eine Variante seines Tourbillons unter Drei Goldbrücken mit einem unter dem Federhaus versteckten und somit unsichtbaren Mikrorotor. MCT entwarf auf der Grundlage des Peseux 7001 ein eigenes Kaliber, das die Marke heute noch nutzt. Laurent Ferrier war als nächstes an der Reihe. Diese technisch elegante und ausgefallene Lösung steht hoch im Kurs, denn 2017 warten gleich drei Marken damit auf: Romain Gauthier, Peter Speake-Marin sowie Bell&Ross (über MHC). Die grossen Marken suchen jedoch weiterhin nach dem Mikrorotor mit dem idealen Verhältnis zwischen Technik, Ergonomie und Flachheit. Panerai und Bulgari nutzen ihn, und ihre technischen Entscheidungen entsprechen dem aktuellen Trend, denn je schwerer und breiter im Schwung der Mikrorotor ist, desto effizienter ist er auch. Die Kaliber sind deutlich grösser geworden. Das Kaliber 240 von Patek Philippe und das BVL138 von Bulgari weisen einen Durchmesser von 27,5 mm bzw. 36,6 mm auf. Das Konzept wird immer flexibler. Dies gilt gleichermassen für die einfachsten wie auch die komplexesten Kaliber, wie die Grande Complication von Cartier erneut beweist.


PAULS POSITION

Der Mikrorotor bietet eine ausgezeichnete Lösung, um die Höhe des Uhrwerks zu reduzieren, eine ultraflache Uhr zu bauen oder mehr Raum für ein schönes offenes Werk zu schaffen. Im Rahmen meiner Recherchen zu einem Artikel für WorldTempus habe ich unlängst jedoch entdeckt, dass Werke mit Mikrorotor relativ teuer sind. Nur eine Handvoll Marken bietet Zeitmesser mit Mikrorotor für unter CHF 10 000.– an. Mikrorotoren sind folglich in erster Linie für Sammler gedacht.

Der Uhrenfachjournalist und regelmässige Korrespondent für WorldTempus.com schreibt unsere Rubrik Innovation in einem für alle verständlichen Stil.

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