Uhren mit Saphirgehäuse sind der Gipfel der Uhrmacherkunst – nicht nur bezüglich ihrer Preise, sondern vor allem, weil sie perfekt konzipierte Zeitmesser voraussetzen.
Was eignet sich besser für die Inszenierung eines medienwirksamen Coups, eines besonderen Ankündigungseffekts oder einer herausragenden Uhr als ein transparentes Gehäuse aus Saphirglas? Die Zeiten, in denen man für diese Uhren tief in die Tasche greifen musste, sind vorbei. Natürlich hinterlässt ein siebenstelliger Betrag nicht nur optisch einen bleibenden Eindruck, aber das entspricht nicht mehr der Norm. Eins ist jedoch sicher: Obgleich es inzwischen nicht mehr exorbitant teuer ist, Flanken, Lünetten, Hörner und Böden aus Korundkristall zu schneiden, bleibt es doch etwas Aussergewöhnliches.
HART
Saphirglas ist das härteste Material, das die Uhrmacherei verarbeiten kann. Der Werkstoff an sich ist nicht gerade billig, aber es handelt sich bei Korundkristall um ein synthetisches Produkt, das im Labor hergestellt wird und folglich relativ gängig ist. Es gab in diesem Bereich beträchtliche Investitionen, mit denen grosse Fortschritte erzielt wurden. Aufgrund des Bedarfs an kratzfesten Gläsern, Sichtböden und nun auch Glasboxen sowie der Expansion des Premiumsegments im Allgemeinen gibt es heute zahlreiche Lieferanten von Saphirbestandteilen. Sie verfügen über das nötige Know-how, um Saphirglas zu schneiden, zu polieren und in allen drei Dimensionen zu bohren. Diese für einen Einsatz in der Uhrenausstattung unerlässlichen Schritte nehmen mehrere Dutzend Tage in Anspruch. Darüber hinaus muss mit einem schnellen Verschleiss der Schneidewerkzeuge gerechnet werden. Je komplexer oder gewölbter der Bestandteil ist, desto mehr Zeit und Geld müssen für seine Fertigung aufgewendet werden. Der Preis des Saphirglases treibt folglich den Preis der damit ausgestatteten Uhren in die Höhe.
ENTHÜLLEND
Saphirglas ist nicht nur in seiner Verarbeitung äusserst anspruchsvoll. Aufgrund seiner Natur bringt es alles ans Licht und duldet folglich keine Mängel. Ob Kanten, Vorder- oder Rückseite – dank des Saphirglases bleibt nichts verborgen, erst recht nicht, wenn die Werke in diesen mineralischen Gehäusen durchbrochen sind. Die Oberflächen müssen auf allen Seiten makellos sein. Dies erklärt, warum die Transparenz als Teil einer Entwicklung anzusehen ist. Das Saphirglas kam erst auf, als ausgereifte Skelettwerke in völlig leeren Gehäusen schwebten. Auch heute noch befindet sich das Design vieler Marken in einem Reifeprozess, sodass diese nur langsame Fortschritte auf dem Weg zu einer absoluten Transparenz machen. Am Anfang der Quasar von Girard-Perregaux standen die Néo Tourbillon sous Trois Ponts und dann die skelettierte Variante mit durchbrochener Platine. Und nun tritt ein Körper ganz aus Saphirglas an die Stelle des Titans.
VIELVERSPRECHEND
Hublot beschloss, wiederkehrende Serien auf den Markt zu bringen. Bis dato erschienen 23 verschiedene, meist farbige Modelle in immerzu limitierter Sonderserie. Die neuesten Modelle wurden am SIHH vorgestellt: eine Spirit of Big Bang in leuchtendem Gelb oder Indigoblau und eine Big Bang Tourbillon Power Reserve 5 Days in Rot oder Blau. Eine der grossen Stärken der Marke war jedoch, je nach Komplexität des Designs verschiedene Preisniveaus anzubieten. Die Preise im Einstiegssegment zogen eine völlig neue Kundengruppe an. Am SIHH 2019 und seinen Satellitenveranstaltungen wurde deutlicher denn je, dass Saphirgehäuse hoch im Kurs stehen. In einer Vielzahl von Stilen hielten unlängst nicht zwingend unerschwingliche Uhren bei Franck Muller, Bovet, Speake-Marin oder auch Armin Strom Einzug.
EXTREM
Doch Ehre, wem Ehre gebührt: Richard Mille bot 2012 mit der RM 056 Felipe Massa als allererster eine Uhr ganz aus Saphirglas an. Später folgten ihr zwei weitere, der Logik der Marke entsprechend sündhaft teure Modelle in Kleinstserien. Und schliesslich präsentierte die RM 07-02 Pink Lady Sapphire für Damen erstmals rosa eingefärbtes Saphirglas. Seitdem macht die Marke eine Pause, und das so entstandene Vakuum wurde zur grössten Freude der Allgemeinheit von rund zehn anderen Uhrenhäusern ausgefüllt.
Am diesjährigen SIHH fiel mir auf, dass Saphirgehäuse immer grösser und ihre Formen immer ungewöhnlicher werden. Das Saphirgehäuse der Armin Strom Dual Time Resonance zum Beispiel, die David in seinem Artikel erwähnt (und die Timmy Tan auf WorldTempus in seine Top Five der kompliziertesten Uhren des SIHH aufgenommen hat – scannen Sie den QR-Code, um seinen Artikel zu lesen), eröffnet völlig neue Horizonte, was die Breite von Gehäusen aus Saphirglas angeht. Es ist ausserdem ein grossartiges Vorzeigeprojekt für Saphirwerk, eine Schweizer Firma, die mit der Armin Strom Dual Time Resonance ihr Debüt in der Uhrengehäusefertigung gab. Auch Bovet stellte das erste Saphirgehäuse der Marke in der hochkomplizierten, gewölbten und dem Träger zugeneigten «Écritoire»-Form vor. Aus technischen Gründen waren für dieses Gehäuse zusätzliche metallische Stützen und Bandanstösse erforderlich, was mich wiederum vermuten lässt, dass wir bei der Verwendung von Saphir langsam an die Grenzen der Machbarkeit stossen.
PAUL O’NEIL
Chefredakteur von WorldTempus.com