Gehäusepreise kurz erklärt

Longines Conquest Heritage: Mit einfachen Formen, kleinem Durchmesser (35 mm) und geringem Goldgewicht kann die Marke konkurrenzfähige Preise anbieten

Richard Mille RM 58-01: über die Lünette einstellbare Universalzeit sowie ein aus mehreren Werkstoffen und zahlreichen Komponenten bestehendes Gehäuse

 

Es geht um viel mehr als nur ein bisschen Metall. Natürlich hängt der Preis eines Gehäuses vom Werkstoff ab, doch auch Form, Bauweise und Glanz spielen eine Rolle. Bei einfachem Werk und Zifferblatt bestimmt sich der Preis in erster Linie durch das für das Gehäuse verwendete Material. Es gibt jedoch Ausnahmen. Longines ist beispielsweise für eher kleine, flache und leichte Gehäuse bekannt, ohne dass dies jedoch der Qualität der Uhr Abbruch tut. Andere, luxuriösere Uhrenmarken warten hingegen weiterhin mit besonders schweren und massiven Gehäusen auf, weil ihre Kunden es so wünschen. Einige glauben heute immer noch, dass man den Preis mit geschlossenen Augen am Handgelenk spüren können muss.

 

Leicht, aber hart

Der aktuelle Supertrend sind wenig kostspielige, aber extrem kompliziert zu bearbeitende Leichtmetalle. Titan ist beispielsweise so hart und abriebfest (und somit auch schwer zu polieren), dass seine Bearbeitung bereits eine Kunst für sich ist. Das gilt auch für alle anderen ultraharten Werkstoffe. Keramik zieht sich beim Brennen zusammen. Um nach dem Brennvorgang die gewünschte Grösse zu erhalten, muss der Schwund vorab exakt berechnet werden. Keramik zu durchbohren ist nicht minder heikel und eine weitere Schwäche dieses Werkstoffs. Die Herstellung eines durchsichtigen Saphirgehäuses wie bei Richard Mille, Rebellion und Cecil Purnell ist immens teuer, weil sie sprichwörtlich Tausende von Arbeitsstunden kostet. Bei Gehäusen aus Karbonfasern ist nicht nur der Grundwerkstoff kostspielig, sondern auch der Arbeitsaufwand. All diese Techniken setzen spezielle, ständig weiterentwickelte Maschinen und neuartige Kenntnisse für kleine Serien exklusiver Uhren voraus. Skalenerträge durch hohe Stückzahlen sind somit nicht möglich.

 

Bvlgari Octo : 110 über 10 Ebenen verteilte Facetten eines einzigen Blocks – eines der komplexesten Gehäuse aller Zeiten

Rolex Sky-Dweller: Der Ring-Command-Funktionswähler für das Einstellen der Uhr ist in der Lünette verborgen

 

Umwandlungen

Der Werkstoff gibt erst den Auftakt für den Fertigungsprozess des Gehäuses. Mal ist es eine einfache Scheibe, mal eine absolut komplexe, abstrakte Skulptur. Je nach Komplexität der Geometrie müssen unterschiedlich viele – teilweise unendlich viele – Fertigungsschritte durchlaufen werden. Ein einfaches Gehäuse besteht aus Boden, Lünette, Mittelteil und Bandanstössen. Jedes dieser Teile kann verschiedene Grundformen mit geraden oder geschwungenen, spiralförmigen, mehr oder weniger gewölbten, konkaven oder konvexen sowie ausgehölten oder massiven Abschnitten aufweisen. Je mehr Funktionen oder je komplexer das Design, desto höher die Anzahl der Einzelteile. Je weniger gerade Linien oder Kreise, desto länger die Bearbeitungszeit und desto höher selbstverständlich auch der Preis.

 

Das gilt auch für Bohrungen sämtlicher Art. Zwischen einem einfachen Loch für die Kronenwelle und sieben glatten und mikrongenauen Öffnungen für einen Chronographen mit ewigem Kalender liegen Welten. Vom Gehäuse einer langwierig entwickelten Minutenrepetition ganz zu schweigen. Ganz allgemein setzen alle Gehäuse, die eine aktive Schnittstelle zwischen innen und aussen darstellen, sehr aufwendige technische Entwicklungen voraus. Die Universalzeit der RM58-01 von Richard Mille wird beispielsweise über die Lünette eingestellt. Das Ring-Command-System, das Rolex mit der Sky-Dweller enthüllte, ist ein Funktionswähler, der sich in einer unvorstellbar komplizierten Lünette versteckt.

 

DeBethune Dream Watch 5: uviele Rundungen, von Hand auf Hochglanz poliertes Titan und extrem limitierte Serien = gigantischer Preis

Rebellion 540 Magnum Tourbillon Sapphire: mit modularem Gehäuse aus gewölbtem Saphir.

Urwerk UR210: Komplexe Volumen, gewölbte Oberflächen, Ecken und Winkel reimen mit Komplexität und hohem Preis.

 

Hochglanz

Das gefertigte und montierte Gehäuse ist immer noch ein Rohwerk. Jetzt muss es noch poliert oder mattiert werden oder beides abwechselnd. Die Bearbeitung solcher Oberflächen ist aber nicht automatisierbar. Bestimmte Etappen wie das Sandstrahlen und Satinieren können zwar maschinell durchgeführt werden, doch die unvergleichliche Koordination von Hand und Auge liefert mit Abstand die besten Ergebnisse. Gold, Platin, Stahl und manchmal sogar Titan werden durch die Bürste des Polierers langsam aber sicher auf Hochglanz getrimmt. Genau wie bei den anderen Bestandteilen einer Uhr gilt deshalb auch beim Gehäuse die Faustregel: «Sag mir, wie viele Stunden du gebraucht hast, und ich nenne dir meinen Preis!»


Der Uhrenfachjournalist und regelmässige Korrespondent für WorldTempus.com schreibt unsere Rubrik Innovation in einem für alle verständlichen Stil.

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