Uhrmacherkunst im Zeichen der Zeit

1. Kunst: Architektur

Oftmals springen die Gemeinsamkeiten zwischen Architektur und Uhrmacherei förmlich ins Auge. Zahlreiche Zeitmesser verwenden die gleiche ästhetische Sprache wie Bauwerke! Oft sind die Ähnlichkeiten frappierend wie bei der Opus 12 von Harry Winston, deren typische Bogen an die neoklassischen Wölbungen der berühmten Fassade des Harry-Winston-Salons in New York und die durchbrochenen Zeiger an die Hochhäuser Manhattans erinnern. Dasselbe gilt für die DB28 ST von de Bethune, deren Architektur – und das Wort ist hier durchaus angebracht – irgendwie an sich kreuzende gotische Bogen denken lässt. Und wem kommen nicht die Zeitmesser von Urwerk mit ihrem sehr technischen Zifferblattaufbau in den Sinn? Sowie natürlich auch all jene Uhren, deren Jargon sich mit dem der Architektur deckt. Spricht man nicht auch in beiden Künsten von Brücken, Stäben, Pfeilern, Klötzen und Rändelungen?

 

2. Kunst: Bildhauerei

Nehmen Sie die L.U.C XP Skeletec von Chopard genauer unter die Lupe. Gehen Sie noch etwas näher an die Jackie Chan von Richard Mille mit ihrem aus Gold geschnitzten Drachen heran. Handelt es sich dabei nicht um wahrhaftige Miniaturskulpturen? Die Uhren der hohen Uhrmacherkunst sind graviert, ziseliert, guillochiert, schlicht und ergreifend wie Skulpturen bearbeitet und nutzen deshalb die Ästhetik und Technik der zweiten Kunst. Das passt perfekt in unser Zeitalter, in dem die Schönheit und Präzision der menschlichen Fingerfertigkeit höher bewertet wird als alle anderen Kriterien der Uhrenproduktion. Die Zeitmesser von gestern und heute präsentieren dem Betrachter gern ihre Reliefs, ihre Volumen und ihre harmonischen Kurven.

 

3. Kunst: Malerei

Die Uhr, die man um den Hals, im Kragen der Damenkleider, am Gürtel oder an einer an der Weste verankerten Kette baumelnd trug, diente lange Zeit nicht nur zur Angabe der Uhrzeit, sondern auch als modisches Accessoire. Die Dekoration und im weiteren Sinne auch die Bemalung von Gehäusen und Zifferblättern war über viele Jahre ein wichtiges Element der Uhrmacherei. Die Marken führen auch weiterhin Modelle, die durch die Kunst der Malerei noch verschönert werden. Die breit gefächerte Farbpalette der Kollektion Cerisier von DeLaneau, die der eines echten Malers ins nichts nachsteht, bildet Miniaturgemälde mit sehr poetischen Akzenten. Die durch die imposanten Deckenfresken der Opéra Garnier inspirierte «Chagall & l’Opéra de Paris» aus der Kollektion Métiers d’Art, die Vacheron Constantin 2001 präsentierte, ist ein weiteres Beispiel für die sehr enge Beziehung zur 3. und 4. Kunst

 

4. Kunst: Musik

Oft spricht man von der Musik der verstreichenden Zeit, vom ständigen Ticktack der verrinnenden Sekunden. Die Zeit reguliert die Musik und ist untrennbar mit ihr verbunden. Achtelnoten, Viertelnoten, ganze Noten und Pausen: Jede Melodie gehorcht der Zeit. Doch auch die verstreichende Zeit ist Musik. Jeder denkt dabei sofort an die atemberaubende Komplikation der Minutenrepetition. Schöne Beispiele sind die Reverso Répétition Minutes à Rideau von Jaeger-LeCoultre oder das neue Modell Opéra der Manufacture Royale als erste Minutenrepetition mit Tourbillon und über 100 Stunden Gangreserve. Nicht minder beeindruckend ist die originelle Dix Furtif von Celsius, deren mechanischer Klang in Zusammenarbeit mit dem Pariser Künstler Le Tone entwickelt wurde.

 

5. Kunst: Poesie

«Ach Zeit! Halte deinen Flug, und ihr, glückliche Stunden, haltet euer Rennen…» Die Zeit, ihre Flucht und ihr unaufhaltsames Verrinnen sind eine bei Dichtern stets wiederkehrende Thematik, z.B. bei Lamartine, Ronsard und Apollinaire. Zwischen Faszination, Unverständnis und Leid hin- und hergerissen haben sich die grössten Dichter für sie interessiert. Einige Marken wissen auch heute noch ihren Zeitmessern einen poetischen Hauch zu vermitteln, vor allem bei Damenuhren. Van Cleef & Arpels zählt mit den Complications poétiques sowie den neuen Poetic-Wish-Zeitmessern dazu. Cartier widmet sich mit dem Tourbillon et Oiseau im sehr verträumten Stil ebenfalls der 5. Kunst. Ganz zu schweigen von der Marke Piaget, die mit ihrer neuen Kollektion Limelight Dancing Light die Stunden in einen poetischen Reigen verzaubert.


Die Uhrenfachjournalistin beleuchtet weniger bekannte Aspekte der Uhrmacherei und präsentiert auch Neuheiten.

Review overview
})(jQuery)