Kering Watches & Jewelry : Albert Bensoussan

Wie weit sind Sie mit der von der Kering-Gruppe im vergangenen Sommer angekündigten Umstrukturierung?

Zuerst möchte ich etwas richtigstellen, denn wir haben gar keine wirkliche Umstrukturierung vorgenommen, und das ist auch nicht unsere Absicht. Der Vorstand wollte lediglich gemäss einem sehr einfachen Prinzip für jede Sparte eine klare hierarchische Linie vorgeben: Jede Sparte besitzt einen eigenen CEO, der sich nur ihr widmet.

Sowind und Ulysse Nardin bilden eine Sparte und Gucci Montres et Joailleries eine andere, die nicht mir untersteht. Wir sind übrigens kurz vor der Einigung mit einem Kandidaten, der Sowind als Dachorganisation für Girard-Perregaux und JeanRichard übernehmen wird, sobald er von seinen aktuellen Pflichten befreit ist.

Bruno Grande bleibt Generaldirektor von JeanRichard. Sein Fachwissen ist für uns eine grosse Bereicherung.

 

Was sind ihre mittelfristigen Prioritäten?

Jetzt kommen wir zum Kern der Sache. Das Ziel unserer Gruppe ist es, all unseren Marken zu Wachstum und einer perfekten eigenen Positionierung zu verhelfen und dennoch eine möglichst kohärente Umsetzung beizubehalten. Jede Marke hat ihre eigene Identität und ihre eigenen Netze, auch wenn es zwischen Girard-Perregaux und JeanRichard aus historischen Gründen sowie aufgrund des gemeinsamen Geschäftssitzes viele Verbindungen gibt. Mögliche Synergien und Skalenerträge sind nur begrenzt möglich, denn jede Marke hat ihre eigene Identität, und ihre Beziehungen zum Netz sowie zu den Endkunden können unmöglich zusammengelegt werden. Unterstützungsstrukturen wie Büros, Medieninvestitionen oder der Einkauf von Verbrauchsgütern werden von uns hingegen genau analysiert.

Vorher besass unsere Uhrensparte nicht die kritische Masse für solche Synergien, jetzt jedoch schon. Deshalb werden wir uns damit auseinandersetzen, ohne jedoch das System zu revolutionieren.

 

Werden Sie aufgrund der aktuellen geopolitischen Instabilität spezifische Massnahmen ergreifen?

Auf jeden Fall keine einschneidenden. Ich muss jedoch zugeben, dass die Volatilität überraschend hoch ist. Lange Zeit glaubten alle, dass der Markt sich aus folgenden Gründen stabilisiert habe: ein wachsender US-Markt, ein stabiler europäischer Markt und ein Teil Asiens, der weiter ansteigt, wenn auch nicht mehr so explosionsartig wie während der Zeit des überhitzten Konsums auf dem chinesischen Markt, dessen Tücken und Besonderheiten wir gut kennen. Zwei sehr unterschiedliche Elemente haben die Lage meiner Meinung nach grundlegend verändert: Erstens ist das Wachstum in China definitiv nicht mehr so stark wie bisher und deshalb konnten die in den vergangenen Jahren angehäuften Lagerbestände noch nicht abgebaut werden. Dieser Konjunkturwechsel bremst die Absätze, was auch die Schweizer Exportzahlen beweisen. Zweitens ist ein Rückgang der Nachfrage bei den russischen Kunden unbestreitbar. Das gilt für Russland und überall dort, wo der Einkaufstourismus besonders gross war, vor allem in Europa sowie – wenn auch weniger stark – in den USA. Die ganze Industrie musste über die Bücher gehen. Zum Glück müssen wir nicht so drastische Massnahmen treffen wie andere Uhrmacher unlängst angekündigt haben, denn unsere Marken sind verhältnismässig klein und passten ihre Strukturen auch in der Vergangenheit den echten Bedürfnissen an. Dennoch ist Vorsicht geboten. Auch wir werden ein paar kleinere Anpassungen vornehmen. Wir werden überlegen, ob wir auch zukünftig die gleichen Budgets für Reisen und Kommunikation beibehalten. Alle für die Weiterentwicklung grundlegenden Investitionen werden jedoch garantiert aufrechterhalten, denn unsere Marken leben von den neu auf den Markt gebrachten Kreationen und Innovationen.

 

Übernahmen werden durch die aktuelle Lage begünstigt. Planen Sie Ihr Portfolio nach oben oder unten auszubauen?

Das ist eine komplexe Frage, auf die ich wie folgt antworten möchte: Kering möchte nicht um jeden Preis Marken jeglicher Tätigkeitsbereiche sammeln. In der Uhrmacherei sind wir der kleinste Konzern. Das ist eine Tatsache, und unser Umfeld erlebte vor 15 Jahren eine sehr abrupte Konsolidierung. Der Luxusuhrenbereich wird zu über 70% von LVMH, Patek Philippe, Richemont und der Swatch Group bestritten. Für eine Übernahme infrage kommende Unternehmen, von denen es aber keine gibt, wären dementsprechend selten und wahrscheinlich nur zu sehr ungünstigen Kurs-Gewinn-Verhältnissen zu haben. Wir streben deshalb in erster Linie nach einem organischen Wachstum. Wenn sich dennoch eine echte Gelegenheit mit einer gut etablierten Positionierung, einer normalen Rentabilität und einer internationalen Ausrichtung ergeben sollte, dann würden wir diese nicht auslassen. Im vergangenen Sommer haben wir mit der Übernahme von Ulysse Nardin bewiesen, dass wir interessante Möglichkeiten mit Lifestyle- und Nischenmarken beim Schopf zu packen wissen. Diese Übernahme erfolgte übrigens nebenbei gesagt nicht zu dem in der Presse erwähnten Preis. Derzeit ist auf dem Markt nichts Interessantes verfügbar. Selbstverständlich bleiben wir aber wachsam.

 

Was denken Sie über den Grand Prix d’Horlogerie de Genève?

Ganz allgemein denke ich, dass branchenspezifische Veranstaltungen wie beispielsweise Uhrenmessen Unterstützung verdienen, wenn sie professionell organisiert sind. Ich halte grosse Stücke auf den Grand Prix d’Horlogerie de Genève, und dies nicht nur weil Girard-Perregaux 2013 mit dem Goldenen Zeiger ausgezeichnet wurde. Ich finde es gut, dass alle mitmachen können, um ihr Fachwissen in der einen oder anderen Kategorie zu beweisen. Ich begrüsse auch die aus Fachleuten zusammengestellte Jury sowie die Beteiligung des Publikums. Mir gefällt auch der seriöse Ansatz, ohne jedoch zu grosse Verbissenheit an den Tag zu legen. Die Preisverleihung ist professionell und doch gleichzeitig auch emotional geprägt. Es ist eine der sehr seltenen Gelegenheiten, an denen man geselliges Zusammensein geniessen kann, ohne dass zu viel auf dem Spiel steht und ohne ungezügeltes Konkurrenzdenken wie auf dem Markt. Der GPHG lenkt die Aufmerksamkeit auf Neuheiten und Innovationen. Das ist gut für den Markt und die Positionierung der Marken. Der von Worldtempus organisierte Prognosenwettbewerb spiegelte diese Aspekte auf spielerische Weise wider. Natürlich kann man nicht jedes Jahr gewinnen. Und das ist auch gut so, weil es Abwechslung bringt. Dort kann man auch noch wenig bekannte Marken entdecken, die sich seit ein paar Jahren sehr hartnäckig behaupten. Ausserdem können bereits gut etablierte Marken mit deutlich mehr Mitteln herausragende Kreationen zeigen und gleichzeitig die Interessen der gesamten Schweizer Uhrenindustrie verteidigen.


Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

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