Luc Perramond : CEO von La Montre Hermès

Was passiert 2013 bei La Montre Hermès?

Hermès wählt jedes Jahr ein Thema aus, das in allen Konzernsparten umgesetzt wird. Nach dem Thema «Zeit» 2012 folgt nun «Sport». Natürlich geht es dabei mehr um den Sportgeist und die Freude am Sport als um reine Leistung. La Montre Hermès versucht in diesem Rahmen, einigen unserer Produkte eine sportlichere Note zu verleihen. Wir präsentieren die Modelle Arceaux mit farbigen Armbändern, während die Familie Dressage neu über eine Chronographenfunktion verfügt. Weitere Neuheiten wie die Cape Cod GMT verkörpern meiner Meinung nach ebenfalls sportliche Eleganz.

 

Was hat Sie in den vergangenen drei Jahren am meisten überrascht?

La Montre Hermès, eine Marke, die ich erst seit vier Jahren leite, hat mich am meisten mit ihrer phänomenalen Kreativität überrascht. Dank ihr trotzt sie den Konjunkturschwankungen und erfreut sich einer sehr treuen Kundschaft, die sich bei Hermès geborgen fühlt. Ganz allgemein kann man vom Wachstumspotenzial der Uhrmacherei, zweifellos dem grössten der Luxusindustrie, nur beeindruckt sein. Dies ist in erster Linie auf die Schwellenländer zurückzuführen, in denen eine der ersten Anschaffungen im Bereich Luxus eine Uhr ist. Das wirkt stimulierend und kurbelt den Wettbewerb im ganzen Sektor mit ständig neu kreierten Marken an.

 

Auf welche Kreation sind Sie besonders stolz?

In den vergangenen vier bis fünf Jahren hat La Montre Hermès viel fachliches Können unter Beweis gestellt. Die von unseren Teams entwickelte Temps Suspendu ist sicherlich das Produkt, das die Hermès-Philosophie am besten verkörpert: Sie vereint die der Pariser Marke so am Herz liegende Fantasie und leicht verspielte Poesie und steht für uhrmacherisches Know-how. Diese Mischung ergibt ein sehr ausgefallenes Produkt. Wir hoffen, an diesen Erfolg anknüpfen zu können.

 

Wie lässt sich die Philosophie der hohen Uhrmacherkunst mit dem Modeimage von Hermès vereinbaren?

Das ist die grosse Herausforderung der Uhrensparte von Hermès: Wir wollen ein in der Uhrmacherei für unser Können anerkannter Akteur sein, und gleichzeitig muss unsere Handwerkskunst den Werten unseres Hauses treu bleiben. Es ist eine Herausforderung, weil wir die konventionellen Regeln einer Industrie mit den sehr ausgefallenen Werten von Hermès unter einen Hut bringen müssen. Gleichzeitig ist es eine grosse Chance, um uns als interessante Alternative zu positionieren. Wir haben deshalb beschlossen, die Fantasie in den Vordergrund zu stellen. Diese intellektuell starken, fast philosophischen Konzepte, die wir mechanisch umsetzen, wecken bei den Kunden Emotionen. Wir stellen die Uhrmacherei in den Dienst der Hermès-Poesie und laden somit unsere Kunden zum Träumen ein.

 

Wird es neue Varianten der Temps Suspendu geben?

An der Baselworld präsentieren wir eine neue Variante der Temps Suspendu. Wir erachten diese Familie als Wahrzeichen der Marke und möchten sie deshalb noch vielfältiger und interessanter gestalten. Gleichzeitig verfolgen wir diesbezüglich noch weitere Projekte. Wie bei Start-ups versteckt sich hinter jedem Projekt eine starke Idee, doch nur eine oder zwei davon werden in zwei bis drei Jahren mechanisch ausgereift und zuverlässig sein. Unsere unkonventionellen Komplikationen sind wahre Erfindungen.

 

Hat sich die geografische Aufteilung sowie der Anteil Männer/Frauen stark verändert?

Ja sehr. Unser Ziel 2009, ein respektierter Akteur des Uhrenmarkts zu werden, setzte voraus, mehr Männer für uns zu gewinnen, insbesondere durch neue mechanische und maskulinere Zeitmesser. Wir konnten unsere Verkaufszahlen in diesem Segment, das jetzt 40% des Volumens ausmacht, verdoppeln. Das ist meiner Meinung nach ein gutes Gleichgewicht, da wir unseren Vorsprung bei den Damen aufrechterhalten möchten. Geografisch haben wir unsere Aufholjagd in Nordamerika (von 10 auf 13%) begonnen, da wir dort ein hohes Wachstumspotenzial vermuten. Wir möchten unsere Absätze in jener Region nochmals um 50% steigern. Meiner Meinung nach sind die USA wertmässig der grösste Luxusmarkt der Welt. Gleichzeitig haben wir den Mix in Südostasien durch eine Reduktion unserer Abhängigkeit von Japan besser ausgeglichen. In diesen zwei Regionen setzen wir mit dem Konzept Shop in Shop und einzig der Uhrmacherei vorbehaltenen Hermès-Boutiquen auf einen selektiveren Vertrieb. Last but not least haben wir die traditionellen europäischen Uhrenmärkte wie Deutschland und Italien durch eine bessere Vertriebskontrolle erobert.

 

Mit welchen Trümpfen gedenkt La Montre Hermès den Uhrensektor zu erobern?

Das Hermès-Vertriebsnetz ist natürlich ein grosser Trumpf: 330 herrliche und an strategisch wichtigen Orten platzierte Boutiquen, in denen immer auch die Uhrmacherei präsent ist. Der zweite Trumpf ist unsere Fähigkeit, durch unkonventionelle Komplikationen uhrmacherisches Neuland zu betreten. Die kunsthandwerkliche Vielfalt des Konzerns (Seide, Leder, Prêt-à-porter, Kristall, Schmuck und Parfum) ist zudem eine unermessliche Kreations- und Inspirationsquelle, insbesondere in Sachen Design, Werkstoffe und Techniken.

 

Welche sonstigen Synergien können Sie nutzen?

Hermès ist eine synergetische Marke! Obwohl die Kreativität unsere grösste Stärke ist, können wir Skalenerträge nutzen, und wer über einen Talentpool von 10 000 Mitarbeitern verfügt, profitiert von einer hohen Mobilität zwischen Berufsgruppen und Regionen. Ausserdem können wir natürlich auch die institutionellen Grossevents der Marke Hermès nutzen, um in China oder dem Rest der Welt unseren uhrmacherischen Ansatz ins Rampenlicht zu rücken.

 

Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

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