Bovet : Kollektion Dimier Récital 0

Die Kollektion Dimier ist die einzige Kollektion des Katalogs der Marke Bovet ohne Krone bei 12 Uhr und ohne den traditionellen Taschenuhrbügel als Wahrzeichen der Marke. Sie wurde 2007 lanciert und als Hommage an die Handwerker der gleichnamigen, ein Jahr zuvor von Pascal Raffy, seit 2001 alleiniger Besitzer von Bovet, übernommenen Manufaktur benannt.

Diese Hommage ist angesichts der unternommenen Anstrengungen wirklich verdient, denn die Restrukturierung der Manufaktur und die Weiterentwicklung der nun unter der Marke Dimier angebotenen und den Ansprüchen der hohen Uhrmacherei gerecht werdenden Tourbillonwerke war eine stolze Leistung. Das jüngste Mitglied der Kollektion, die Récital 0 ist, wie ihr Name nicht besagt, das achte Modell, das die grundlegenden Werte eines Tourbillons verkörpert.

 

Ausstattung :

Von Anfang an werden acht Referenzen des neuen Modells auf den Markt gebracht. Die Récital 0 gibt es mit 41 und 45 mm Durchmesser, in Rot- oder Weissgold und in jeder Ausführung mit einer wunderschön mit Diamanten im Baguette-Schliff verzierten Lünette. Bei dem mir für den Prüfstand zur Verfügung gestellten Modell handelt es sich um eine Ausführung mit 45 mm Durchmesser in Rotgold und mit diamantbesetzter Lünette. Für eine Bovet scheint das Gehäuse auf den ersten Blick mit den vier Bandanstössen für die Befestigung des Armbands und der Krone bei 3 Uhr eher klassisch. Bei genauerem Hinsehen trägt die Ausstattung jedoch erheblich zum Erfolg dieses Zeitmessers bei. Die Höhe der etagierten Bandanstösse und das Profil des Gehäuserahmens lassen die Uhr zeitgenössisch und ideal proportioniert wirken. Den Clou bildet jedoch der Innendurchmesser des Rahmens, dessen Genialität dank des fehlenden Zifferblatts bewundert werden kann. Das Werk scheint im Zentrum des Gehäuses zu schweben. Sieben direkt im Gehäuserahmen zwischen 9 und 3 Uhr integrierte Klötzchen dienen als Indexe, wobei nur die zwei auf der horizontalen Achse zur Werksverankerung dienen. Die Komplexität der Gehäusefertigung zeigt sich auch im Tourbillonkäfig bei 6 Uhr. Die Anschlussstücke des Armbands aus Alligatorleder ermöglichen eine ästhetisch gelungene Integration ins Gehäuse und optimieren gleichzeitig den Tragekomfort ungeachtet der Handgelenksgrösse des Trägers.

 

Werk :

Wie weit man in knapp fünf Jahren doch kommen kann! Die Tourbillons der Manufaktur Dimier haben technisch und ästhetisch einen Quantensprung gemacht. Das Kaliber DM 1501 der Récital 0 ist eines der überzeugendsten Beispiele dafür. Die Werksarchitektur ist modern und durchbrochen. Brücken und Platine – mikrosandgestrahlt, angliert und poliert – sind ästhetisch beeindruckend, wobei die Volumen der Bestandteile durch diese Vollendung unglaublich effizient aufgewertet werden. Die spiegelpolierten Stahlteile sowie die verschiedenen beweglichen Teile bilden einen raffinierten Kontrast. Wie auch die anderen Werke der Manufaktur wird dieses Kaliber durch zwei Federhäuser angetrieben, die über sieben Tage (!) eine konstante Kraftübertragung  und somit Gangreserve garantieren. Die bemerkenswerteste Neuerung betrifft jedoch den Tourbillonkäfig, der mit einem Durchmesser von 14 mm, d.h. rund der Hälfte des Werksdurchmessers (!), von ungeahnter Leichtigkeit sein muss. Es handelt sich wahrscheinlich ausserdem um den einzigen aktuell auf dem Markt erhältlichen Tourbillon mit fixem « negativem » Rad (abgesehen natürlich von allen anderen Referenzen der Manufaktur Dimier). Dadurch liegt kein bewegliches Teil des Räderwerks über der Oberfläche des Tourbillonkäfigs. Die Transparenz ist dadurch noch umwerfender. Die Form der Käfigbrücken löst ein seliges Lächeln aus und verstärkt den Eindruck des frei schwebenden Käfigs ohne Verankerung mit dem Werk. Stunden und Minuten werden im Zentrum von gebläuten Zeigern angezeigt. Die Sekunden werden von einem dreiarmigen, auf dem oberen Tourbillonzapfen befestigten Zeiger auf im konzentrischen Teil des Höhenrings eingravierten und lackierten Graduierungen von je 20 Sekunden angegeben. Die Gangreserve vervollständigt diese Informationen im oberen Teil des Zifferblatts auf der vertikalen Achse.

 

Tests :

Die Betrachtung der Récital 0 hat uns schon überzeugt. Die Fertigungsqualität und die Güte der Vollendungen geben uns sofort die Sicherheit, dass uns die Tests nicht enttäuschen werden. Doch da diese Rubrik Prüfstand heisst, möchten wir Ihnen die Ergebnisse nicht vorenthalten. Die Messungen wurden bei maximalem Aufzug (Federn leicht entspannt) sowie nach 24 Stunden und fünf Tagen vorgenommen. Bei maximalem Aufzug lag die Ganggenauigkeit in sechs Positionen zwischen +7 Sekunden/Tag und +13 Sekunden/Tag. Alle Amplituden waren stabil und lagen immer über 300°. Nach 24 Stunden optimierte sich der Gang auf +6 Sekunden/Tag und +11 Sekunden/Tag. Die Amplituden lagen idealerweise zwischen 287° und 313°. Zum Schluss –  und der ist am interessantesten – war die Ganggenauigkeit nach fünf Tagen immer noch fast identisch. Das Delta verringerte sich sogar, da die Extremmessungen zwischen +7 Sekunden/Tag und +11 Sekunden/Tag lagen. Die Amplituden verringerten sich erwartungsgemäss, erzielten aber mit Werten zwischen 247° und 281° immer noch aussergewöhnliche Höchstwerte!!!!

Die tatsächliche Gangreserve (nur einmal gemessen) übertraf die sieben angegebenen Tage um über fünf Stunden.

Trotz des doppelten Federhauses und der gigantischen Gangreserve wurde ein idealer Kompromiss für den Handaufzug gefunden, der nur wenig Kraft voraussetzt und mit einer sehr akzeptablen Kronendrehzahl erreicht werden kann. Ohne Unruhstopp (oder eher Tourbillon) ermöglicht eine perfekt dosierte Reibung eine sekundengenaue Einstellung.

Die Récital 0 schmiegt sich auch trotz des neuen breiten Armbands sofort perfekt ums Handgelenk und ist extrem komfortabel.

 

Fazit :

Obwohl das Modell keine unzähligen Patente aufweist, obwohl keinerlei noch so revolutionäre Legierung zum Einsatz kam und obwohl nicht unzählig viele Komplikationen angezeigt werden, besticht die Récital 0 durch ihre Architektur, ihre Ästhetik und ihre bemerkenswerten Leistungen als innovativer und einzigartiger Zeitmesser. Diese neue Referenz symbolisiert perfekt den legitimen Wunsch der Sammler nach Kreationen ohne Overkill, bei denen die Grundwerte der hohen Uhrmacherkunst im Mittelpunkt stehen, genau so wie die Pioniere der Zeitmessung sie vor über zwei Jahrhunderten definierten.


Der erfahrene Uhrmacher analysiert eine Uhr während einer Woche auf seinem Prüfstand, um den an technischen Details interessierten Lesern sein Fazit darzulegen.

Review overview
})(jQuery)