Neue Monde

Sie ist eine der ältesten Komplikationen der Uhrmacherei und entwickelt sich doch ständig weiter. Die Kunst, Mondphasen mehr oder weniger exakt darzustellen, war noch nie so komplex.

Seit jeher sind wir vom Mond und seinen wechselnden Lichtgestalten fasziniert. Er nimmt zu und wieder ab, verschwindet gar ganz, wird im Zusammenspiel mit Erde und Sonne mal rot, mal weiss oder gelb und ist an zwei aufeinanderfolgenden Tagen nie der Gleiche. In der Uhrmacherkunst sind Mondphasenanzeigen genauso wandlungsfähig. Diese Komplikation erfindet sich immer wieder neu – ob in ihrer Funktionsweise, in ihrer Darstellung oder auch in ihrer poetischen Dimension. Denn unser Erdtrabant steckt voller tiefgründiger Bedeutungen. Seine Symbolik, die sich mit der Nacht, den Träumen, dem Kosmos und folglich mit unserer Fähigkeit, uns selbst zu übertreffen und ins All zu fliegen, verbindet, ist den Uhrmachern eine Quelle der Inspiration. Und so kommt es, dass eine ganze Menge neuer Mondphasenuhren das Licht der Welt erblickte.

 

DAUER

Die Eigenschaften des Mondes, die die Uhrmacher am meisten beschäftigen, sind sein Alter und die Art, wie er seine Gestalt wandelt. Der komplette Mondphasenzyklus von einem Neumond zum anderen dauert im Durchschnitt 29 Tage, 12 Stunden, 44 Minuten und 2,8 Sekunden. All diese Zahlen nach dem Komma sind für Uhrmacher als Liebhaber von Präzision eine wahre Herausforderung, ja sogar eine regelrechte Provokation. Und so gibt es für die Mondumlaufzeit verschiedene Präzisionsniveaus. Am häufigsten wird die Lunation auf 29,5 Tage zusammengefasst, was jedoch eine monatliche Nachjustierung von Hand erfordert. Präzise Mondphasen weichen nur alle 122 Jahre um einen Tag ab, sodass die manuelle Korrektur erst durch Ihre Nachfahren erfolgen wird. Sollte das noch nicht reichen, gibt es auch wahrhaftig astronomische Uhren. Zunächst wäre da die Endeavour Perpetual Moon Concept von H. Moser & Cie. Die Neuinterpretation mit einem Zifferblatt in Vantablack ist schwärzer als die finsterste Nacht und verfügt über ein 1027 Jahre lang präzises Nachtgestirn. Auf einer ganz anderen Orbithöhe schuf Andreas Strehler die Lune Exacte, die ohne Übermass an Bestandteilen und ohne besondere Komplexität bei einer auf drei Stunden genauen Präzision ganze zwei Millionen Jahre lang richtig geht.

ANZEIGEN

In der Uhrmacherei beschäftigen die Modalitäten für die Anzeige von Komplikationen eine lebhafte und ikonoklastische Randgruppe. Es gibt keinen Grund, warum es dem Mond anders ergehen sollte. Für Mondphasenanzeigen sind spannende Zeiten angebrochen. Bei Hermès gibt es gleich zwei Monde – einen für jede Erdhalbkugel. Die Mondphase wird durch das Zusammenspiel zwischen dem Meteorit-Zifferblatt und einem darüber kreisenden Satelliten mit zwei Scheiben angezeigt. Während dieser das Zifferblatt umrundet, bedeckt er nach und nach die Mondscheiben. Das Konzept einer orbitalen Bewegung über dem ganzen Zifferblatt anstatt nur in einem Fenster stand auch im Mittelpunkt der Kreation von Bovet. In der Récital 22 Grand Récital rotiert der Mond um die eigene Achse, während er eine dreidimensionale Erdkugel umkreist. Auf einer Skala sind die Namen der Mondphasen sowie deren Abbildung zu sehen. Auch die Star Legacy Metamorphosis von Montblanc entstand nach diesem Konzept: In der neuen Version des Modells mit Doppelzifferblatt versteckt ein Zifferblatt das andere und offenbart auf Abruf die Mondumlaufbahn um die Erde.

UMLAUFBAHNEN

Nicht weit davon entfernt ist RJ mit der Arraw 6919 (1969 wie das Jahr der ersten Mondlandung in umgekehrter Reihenfolge) mit einer Weltraumthematik, bei der eine kleine Mondlandefähre sich um das Zifferblatt und um sich selbst dreht. Die Komplikation wird durch eine Kombination dieser beiden Umlaufbahnen angezeigt. Diese Wechselwirkung machte Ulysse Nardin schon sehr früh zum Markenzeichen des Hauses: Die Executive Moonstruck Worldtimer zeigt die relative Lage von Erde, Mond und Sonne. Diese Uhr ist folglich eine Karte, die unser Sonnensystem von oben abbildet. Die Übersicht macht es möglich, Ereignisse wie Mondfinsternisse visuell darzustellen. Wie ein portabler Astronomiekurs für das Handgelenk.

 

 

PAUL O’NEIL

Chefredakteur von WorldTempus.com

Die Darstellung der Mondphase auf der winzigen Oberfläche eines Zifferblatts ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie man Ereignisse, die sich auf einer kosmischen Ebene abspielen, derart reduzieren kann, dass sie verständlich werden. Den Designern und Uhrmachern (die Anzeigen beruhen schliesslich auf genauen mathematischen Berechnungen) stehen hierbei überraschend viele Möglichkeiten offen, wie Sie an den von David ausgewählten Modellen sehen können. Lesen Sie (dank des QR-Codes unten) im Lexikon von WorldTempus nach, wie die verschiedenen Präzisionsniveaus einer Mondphase berechnet werden, und schauen Sie sich bei der Gelegenheit weitere Interpretationen dieser ewigen Favoritin unter den Komplikationen an.

Der Uhrenfachjournalist und regelmässige Korrespondent für WorldTempus.com schreibt unsere Rubrik Innovation in einem für alle verständlichen Stil.

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