Piaget – Philippe Léopold-Metzger : CEO von Piaget

Als wir vor zehn Jahren unser erstes Interview führten, hatten Sie gerade in Monaco ein neues Boutiquekonzept eingeweiht und zählten weltweit 700 Einzelhändler. Wie steht es heute um den Vertrieb ?

Wir arbeiten heute mit 500 Einzelhändlern, da wir mehr auf Qualität statt Quantität setzen. Im Mai haben wir unsere 73. und 74. Piaget-Boutique eröffnet : die siebte in Hongkong und die fünfte in Macao. Unsere Strategie setzt auf eine vollständig harmonische Entwicklung beider Vertriebsnetze, die sich den Umsatz wertmässig ausgeglichen aufteilen.

 

2001 produzierte Piaget 20 000 Uhren. Wie viele sind es jetzt ?

Die Produktion ist zahlenmässig gleich geblieben, doch der Wert ist schier explodiert. 2001 verfügten 70 % der hergestellten Uhren über ein Quarzwerk, während heute zwei Drittel vollständig intern entwickelte und gefertigte Mechanikuhren sind. Wir kaufen keine externen Werke und verkaufen nur, was wir selbst herstellen können. Einerseits ist der Durchschnittspreis pro Uhr stark gestiegen, und andererseits hat die Vertikalisierung des Vertriebs unseren Umsatz erhöht.

 

Damals war die Emperador Ihre Lieblingsuhr. Hat sich Ihr Geschmack verändert ?

Sagen wir, dass er sich ausgeweitet hat. Ich trage häufig die Emperador Squelette als Kombination aus hoher Uhrmacherei und Goldschmiedekunst. Bei der Altiplano Automatik gefällt mir die klassische Eleganz besonders gut. Am Wochenende trage ich meist einen Chronographen Polo 45, dessen Casual-Look ich zu schätzen weiss.

 

Welches in den vergangenen zwei bis drei Jahren lancierte Produkt hat Ihre Verkaufserwartungen übertroffen ?

Alle! Die Altiplano-Zeitmesser sind ein Bombenerfolg. Sie haben sich zur Referenzuhr der gesamten Palette entwickelt und symbolisieren am besten die heutigen Werte von Piaget : zeitgenössische Eleganz. Männer interessieren sich heute wieder für ultraflache Uhren, ein Must in jeder Sammlung. Der Erfolg der Magic dürfte diesen Zeitmesser zu einer der klassischen Referenzen der Damenschmuckuhren machen.

 

Tourbillon Relatif, klassisch ultraflach, Polo Sport, hohe Juwelierkunst : Behindert die grosse Vielfalt der Piaget-Kreationen nicht die Positionierung der Marke ?

Das ist eine schwierige Frage. Piaget kreiert seit 1874 Uhren und seit 1960 auch Schmuck. Wir verfügen also über eine echte Legitimität. Nur wenigen Marken gelingt es, Männer und Frauen langfristig zu überzeugen. Wir sind nicht den Lockrufen der Produktdiversifizierung gefolgt. Das hat uns geholfen, unsere Energie zu kanalisieren. 2001 haben wir uns für eine exklusive Marke entschieden, die nur Golduhren fertigt, und uns auf drei Sparten konzentriert : Damen, Herren und Juwelierkunst. Wir wollten Piaget in eine bekannte, anerkannte, globale und starke Marke verwandeln. Dies setzte eine kritische Grösse voraus. Da 85 % des Exportwerts der Schweizer Uhren von Mechanikmodellen bestritten werden, haben wir in unser Produktionstool investiert, um eigene Werke zu entwickeln. Heute können ultraflache Uhren als unser Markenzeichen erachtet werden. Die Linie Altiplano bestreitet denn auch den Löwenanteil unseres Umsatzes. Die Polo 45 hat uns gleichzeitig das Casual-Sport-Segment eröffnet, in dem Piaget in Europa und den USA neue Kunden gewinnen konnte. Mit der Kollektion Limelight sind wir ausserdem im Bereich Schmuckuhren weiterhin sehr stark. Wir haben viele Anfragen für Konzeptuhren wie die Magic mit ihren drei Positionen, die umkehrbare Twice sowie die Dancing Birds. Piaget positioniert sich letztendlich bei Männern durch klassische Eleganz und bei Frauen durch beachtliche Kreativität. Beide Sparten tragen zur Hälfte zu den Verkaufszahlen bei.

 

Was verkörpert Ihrer Meinung nach die neue Piaget-Muse Jessica Alba ?

Vor allem Schönheit sowie Jugend. Sie ist nicht in unserer Werbung zu sehen, sorgt aber in der Presse für Schlagzeilen über die Marke. 2001 hätte ich diesen Vorschlag sicherlich abgelehnt, aber heute ist diese Form von Buzz unerlässlich. Piaget muss eine exklusive Marke bleiben, das steht fest. Wir wollen aber keinesfalls eine arrogante Marke werden. Die Kollektion Possession sichert uns einen Kontakt mit jüngeren Kunden – und genau die vertritt Jessica Alba.

 

Glauben Sie, dass man heute noch eine neue Marke lancieren kann ?

Ich glaube schon. Es muss sich dabei aber um eine Nischenmarke handeln, denn die Kosten für die Lancierung eines neuen Produkts sowie eine internationale Präsenz sind extrem hoch. Die Mieten haben sich beispielsweise in China in fünf Jahren verdreifacht ! Der Kundendienst ist und bleibt unabdingbar und stellt sich für frisch gebackene Marken oft als grosses Handicap heraus. Eine Chance für neue Marken ist die Filialisierung der grossen Marken, weshalb traditionelle Händler auf die Suche nach neuen Marken gehen. Ich finde es toll, dass Männer wie Max Busser oder Thierry Oulevay, der vorher bei Piaget war, ihre eigenen Marken lancieren. Die Urwerk-Nische fasziniert mich ebenfalls. Ein Erfolg wie der von Richard Mille ist atemberaubend. Gemeinsam haben sie die Dornröschen unserer Industrie wachgeküsst.

 

Was verspricht sich Piaget von den nächsten zehn Jahren ?

Trotz Konjunkturschwankungen muss jede Marke eine langfristige Philosophie verfolgen und ihrem Stil treu bleiben. Wir werden nichts revolutionieren und die Werte unserer Marke weiter vorleben. Ultraflach bleibt das Hauptsegment von Piaget. Wir werden uns sicherlich auch mit der Entwicklung grosser Komplikationen befassen, die wir bisher noch nicht in unserem Angebot haben. Die höchste Juwelierkunst verfügt ebenfalls noch über ein grosses Wachstumspotenzial. Wir werden in unseren Boutiquen demzufolge wahrscheinlich noch mehr Schmuckuhrkollektionen anbieten und jährlich rund zehn neue Boutiquen eröffnen. Unsere Produktion dürfte die Schwelle von 30 000 Stück pro Jahr bald überschreiten. Die grösste Herausforderung wird sein, genügend Uhrmacher, Juweliere und Juwelenfasser auszubilden.


Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

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