Geneva Watch Tour: Besichtigung der Stadt Genf und Entdeckung der Uhrmacherei

geneva watch tour

Die Uhren-Route umfasst rund 50 Markenboutiquen sowie gleich viele Mehrmarken-Einzelhändler und liefert somit einen guten Überblick über die gesamte Schweizer Uhrmacherlandschaft. Sie führt durch die berühmtesten Genfer Stadtviertel: Gestartet wird im Bahnhofsviertel, wo sich auch das Fremdenverkehrsbüro befindet; weiter geht es mit dem Geschäftsviertel im Zentrum, der Altstadt mit ihren Kunst- und Innendekorations-Galerien, dem Bankenviertel und den kulturellen Einrichtungen bis zum Stadtviertel für moderne Kunst, in dem auch das Patek Philippe Museum angesiedelt ist.

Genfer Uhrmachererbe

mur des réformateurs

Mur des Réformateurs (Reformatorenmauer errichten)

Alles begann Mitte des 16. Jahrhunderts, als der grosse Reformator Jean Calvin 1541 alle äusseren Zeichen von Reichtum verbot und somit die Juweliere und Goldschmiede dazu zwang, ihr Fachwissen für die Uhrmacherei zu verwenden. Zwei Jahrhunderte später exportierte Genf rund 60 000 Uhren, und die in der Rhone-Stadt zu zahlreich gewordenen Uhrmacher bevölkerten den gesamten Jurabogen. 1909 fiel die Feier zu Calvins 400. Geburtstag mit dem 350. Jahrestag seit Gründung der Fondation de l’Académie de Genève zusammen. Zu diesem Anlass lies-
sen die Behörden im Parc des Bastions gegenüber dem Grand Théâtre die Reformatorenmauer errichten: Die fünf Meter hohen Statuen der vier grossen Reformatoren lehnen gegen die alte Stadtmauer, die Genf bis zum 19. Jahrhundert umgab.

Sogar der Jet d’eau, das Symbol der Stadt Genf überhaupt, geht ursprünglich auf die Uhrmacherei zurück. Die Tätigkeit der Uhrmacher sowie die Einführung der Arbeitsteilung (die dem Goldschmied Daniel Jeanrichard zugeschriebene «Etablissage») führten ab dem 18. Jahrhundert dazu, dass sich rund 4000 Uhrmacher am Rhone-Ufer ansiedelten und die Wasserkraft vor allem ab 1872 aus dem Bâtiment de la Machine sowie ab 1886 auch aus dem Wasserkraftwerk Coulouvrenière nutzten. Mit diesem Druckwasser konnte eine Vielzahl der für die Fertigung von Werken und Gehäusen notwendigen Arbeitsschritte wie beispielsweise das Fräsen mechanisiert werden. Die Uhrmacher, damals «Cabinotiers» genannt, drehten alle am Ende des Arbeitstages mehr oder weniger zum gleichen Zeitpunkt den unerlässlichen Wasserhahn zu und verursachten somit einen Überdruck, den die Maschinisten des Kraftwerks Coulouvrenière sofort durch das Anhalten der Pumpen ausgleichen mussten. Einer von ihnen kam deshalb auf die Idee eines Sicherheitsventils, mit dem der Wasserüberdruck 30 Meter gen Himmel spritzte. Die Anrainer fanden das Spektakel so erquickend, dass der Jet d’eau später an einen anderen Ort verschoben und 1891 von der Genfer Stadtregierung als Touristenattraktion institutionalisiert wurde.

geneva watch tour

Und was ist von den Cabinotiers übrig geblieben? Abgesehen vom Erbe, das den Grundstein für den internationalen Ruf Genfs legte, prägte ihre Tätigkeit auch die Architektur des Stadtviertels St Gervais (zwischen Bahnhof und Rhone), weil hier das wertvolle Druckwasser die Ausübung des Kunsthandwerks erleichterte. Die Werkstätten waren meist in den eigenen Behausungen gegen Norden ausgerichtet oder in oberen Etagen mit grossen Fensterfronten angesiedelt. Die Rue Rousseau (Nummern 7 und 9) in der Verlängerung der Pont de la Machine sowie die Rue Chantepoulet (Nummer 25) unterhalb des Bahnhofs weisen heute noch solche Fensterfronten auf. Als Hommage an die Cabinotiers, die 1755 die Gründung der Marke Vacheron Constantin noch miterlebten, hat die älteste ununterbrochen tätige Uhrenmanufaktur ihren seit 1875 bestehenden, vom Architekten des Genfer Grand Théâtre entworfenen historischen Geschäftssitz am Quai de l’Île vollständig renovieren lassen.

Absolut sehenswert

Das grösste Uhrmachermuseum Genfs ist das der Öffentlichkeit zugängliche Patek Philippe Museum (Führungen mit vorheriger Reservierung möglich). Auf vier Etagen können hier eindrucksvolle Kollektionen Genfer und europäischer Uhrmacher- und Emailkunst vom 16. bis 20. Jahrhundert bewundert werden. Die Uhrenkollektionen der Stadt Genf sind ebenfalls umfassend, aber nicht immer sichtbar. Sie werden im Musée d’art et d’histoire (Kunstgeschichtsmuseum) und im Musée Rath aufbewahrt und regelmässig in thematischen Ausstellungen gezeigt.

Zu einem früheren Zeitpunkt entlang der Uhren-Route werden drei sehr ausgefallene, aber nicht minder spektakuläre Uhren präsentiert. Die nach dem Jet d’eau meistfotografierte Sehenswürdigkeit Genfs ist die Horloge Fleurie (Blumenuhr) im Jardin Anglais, die aus 6500 in acht konzentrischen Kreisen gepflanzten und je nach Saison wechselnden Blumen besteht und über den längsten Sekundenzeiger der Welt verfügt: 2,50 Meter. Noch ein Weltrekord: Die vom Genfer Uhrmacher Jean Kazes gefertigte Horloge Mécanique des Hôtel Cornavin ist die längste Uhr der Welt. Ihr Pendel befindet sich im Erdgeschoss in einer Bar, während das Werk mit ruhendem Ankergang (die sogenannte Graham-Hemmung) sich 30,02 Meter höher im 9. Stock des neben dem Bahnhof erbauten Hotels (die Sicht ist nur den Hotelgästen vorbehalten) befindet. Die Horloge du Passage Malbuisson zwischen der Rue du Rhône und der Rue de la Confédération verzückt die Passanten stündlich mit ihrem musikalischen Spektakel: Das vom Uhrmacher Edouard Wirth entwickelte Glockenspiel mit 16 Glocken spielt die Melodie eines Escalade-Lieds (die Escalade ist ein Genfer Volksfest zu Ehren der erfolgreichen Verteidigung der Stadt gegen den Angriff der Savoyer 1602)

Auf der Website genevawatcgtour.com können die empfohlenen Boutiquen übrigens virtuell besichtigt und die Einzelhändler aller in Genf vertretenen Uhrenmarken lokalisiert werden.

Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

Review overview
})(jQuery)