A. Lange & Söhne: Grosse Lange 1 Mondphase

Auch wenn wir uns seit 20 Jahren an die typische deutsche Werksarchitektur und ihre ebenso speziellen wie bezaubernden Vollendungen gewöhnt haben, verschlagen uns die perfekten Proportionen sowie die Eleganz des schlichten Designs immer wieder den Atem. Bei A. Lange & Söhne springen die Schlichtheit sowie das Nichtvorhandensein überflüssiger oder protziger Details sofort ins Auge!

AUSSTATTUNG:

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Keine Überraschung diesbezüglich, denn auch hier hat man immer den gleichen guten Eindruck. Absolute Ausgewogenheit bezüglich Proportionen, Design und Vollendungen des Gehäuses sowie aller Ausstattungsbestandteile. Es muss dazu gesagt werden, dass die Identitätsauflagen strikt sind und wenig Spielraum für Fantasie lassen. Zudem ist das Gehäuse der Lange 1 bereits ebenso perfekt wie ihr Werk und dies ungeachtet der gewählten Komplikationen. Warum sollte man auch an einer nahezu perfekten Formel, die den Erfolg der Marke ausmacht, etwas ändern wollen?

Die ultraklassisch ausgelegte grosse Version dieser Lange 1 weist einen Durchmesser von 41 mm und eine Höhe von 9,50 mm auf. Der Mondphasenkorrektor und der Drücker des Grossdatums teilen sich die linke, vollständig polierte Flanke des Gehäusemittelteils symmetrisch auf. Die unterschiedlichen Angaben werden in klar definierten Zifferblattzonen gemäss den deutschen Gewohnheiten angezeigt, was genügend Raum für eine grosse, innerhalb des Stunden- und Minutenkreises positionierte Mondscheibe lässt. Der fein gekörnte rechte Teil des Zifferblatts beherbergt das Grossdatum in einem goldgerahmten Doppelfenster sowie die traditionsgemäss auf Deutsch angegebene Gangreserve und eine kleine Sekunde. Es gibt wirklich nichts Exklusives oder Neues zu entdecken, und auch bei sorgfältigster Analyse kann man nur erneut neidlos die Seltenheit sowie die Vollkommenheit eines heute oft so überstrapazierten Luxus anerkennen, dass er schon fast vom Aussterben bedroht ist.

WERK:

Auch hier entspricht alles den der Marke so sehr am Herzen liegenden Regeln der Kunst. Die berühmte Dreiviertelplatine überdeckt das gesamte Werk mit Ausnahme der beweglichen Teile für Sekunden und Hemmung. Die nicht galvanisierte Neusilberoberfläche ist mit Genfer Streifen verziert. Die sieben Goldchatons sind verschraubt und tragen mit der Decksteinplatte der Hemmungsbrücke zur überragenden Qualitätsanmutung bei. Allein das Regulierorgan würde ein ganzes Kapitel verdienen. Es ist eines der seltenen, gemäss den strengsten Regeln hoher Uhrmacherkunst vollständig intern und aus traditionellen Werkstoffen gefertigten Ensembles aus Unruh und Spirale: Unruh mit variablem Trägheitsmoment, flache Spirale ohne Rückerschlüssel, durch mikrometrische Schraube eingestelltes bewegliches Spiralklötzchen und den traditionell handgravierten Kloben bedeckende Schwanenhalsfeder als Hymne an die hohe Kunst der Zeitmessung. Man gerät in Versuchung, die abgerundeten statt der heikleren scharfkantigen Brückenkonturen zu kritisieren, aber nur durch solche wie hier perfekt beherrschte Kompromisse kann die Marke sich gegenüber der von den Hauptkonkurrenten von A. Lange & Söhne praktizierten «Massenware hoher Uhrmacherkunst» durch attraktive Preise behaupten. Ein einziges Federhaus liefert genügend Energie für mindestens drei Tage Gangreserve mit einer Frequenz von 21 600 Halbschwingungen pro Stunde. Die Mondphase wird durch einen hochpräzisen Mechanismus gesteuert, der nur alle 122 Jahre einer Korrektur bedarf.

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TESTS:

Um ehrlich zu sein, hatten wir auch in diesem Kapitel nicht mit mehr Überraschungen als in den zwei vorherigen gerechnet. Zuerst begrüssen wir den Sekundenstopp, der uns die Messungen für diese Tests deutlich erleichtert hat und Isochronismus-Fans begeistern wird. Beide von uns getesteten Gangreserven übertrafen die auf dem Zifferblatt angezeigten 72 Stunden. Im gleichen Zeitraum führten wir die üblichen Messungen in fünf Positionen direkt nach dem Aufzug sowie nach 24 und 48 Stunden Gang durch. Die Ergebnisse sind selbstverständlich von beispielhafter Regelmässigkeit und selbst nach 48 Stunden hatten die Amplituden nur rund 60° eingebüsst. Eine einzige Messung in vertikaler Lage befand sich ausserhalb der Bandbreite von 0 bis +10 Sekunden Abweichung pro Tag. Die gewählte Lösung ist aber noch viel beispielhafter als diese Ergebnisse, die nicht durch revolutionäre Technologien oder Werkstoffe mit vielen hypothetischen Versprechen, sondern durch Detailliebe und Einhaltung der Regeln hoher Uhrmacherkunst erzielt werden. Nur zu oft werden diese für die Zeitmessung und Zuverlässigkeit unabdingbaren Grundlagen vernachlässigt. Der Tragekomfort sowie die Benutzerfreundlichkeit für Aufzug, Zeiteinstellung und Korrektur des Grossdatums sind ebenso vollkommen wie der Rest dieses Zeitmessers.

FAZIT:

Die Vorzüge dieser Grossen Lange 1 Mondphase stimmen mit jenen aller anderen Modelle dieser deutschen Manufaktur überein. Die Schlichtheit dieser in jeder Hinsicht bespielhaften Zeitmesser von A. Lange & Söhne wird von einigen als germanische Nüchternheit bezeichnet. Doch da die Liebhaber der Marke genau diese Schlichtheit so zu schätzen wissen, kann man ihr nur anraten, diesem Ansatz treu zu bleiben. Und genau darin liegt die grosse Herausforderung der Marke, denn die nahezu perfekte Grosse Lange 1 Mondphase birgt keinerlei Überraschung. Die deutschen Uhrmacher müssen einen Weg finden, ihre Sammler bei der Stange zu halten. Es braucht etwas mehr Innovation (zwei Modelle mit Mondphase allein für die Kollektion Lange 1!), vor allem bezüglich des Angebots an Komplikationen und ihrer Interpretation, ohne dabei jedoch die Identität und Qualität der für die gesamte Uhrenindustrie als Referenz geltenden Marke zu opfern.

Der erfahrene Uhrmacher analysiert eine Uhr während einer Woche auf seinem Prüfstand, um den an technischen Details interessierten Lesern sein Fazit darzulegen.

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