Die Macht der Chronometer

Chopard

L.U.C XPS,Chronometer mit
COSC-Zertifikat und «Poinçon de Genève»

 

Pünktlichkeit war für Könige vielleicht ein Zeichen von Höflichkeit, aber keine persönliche Herausforderung. Für die absolutistischen Monarchen des alten Europa war die offizielle Uhrzeit nur eine von vielen Anpassungsvariablen, die durch ein einfaches Dekret geändert werden konnten. Das ist in manchen Ländern mit spassigen und politisierten Zeitzonen wie Iran oder Venezuela immer noch der Fall. Auf individueller Ebene benötigt man für die Pünktlichkeit jedoch Werkzeuge, auf die man sich verlassen kann. Die Uhrmacherei bemüht sich um eine Präzision, die bei mechanischen und tragbaren Uhren umso schwieriger zu erreichen ist. Bei solchen Herausforderungen ist die Schweizer Produktion gefragt, die sich als einzige in reichem Masse für den Begriff der Ganggenauigkeit interessiert. Diese bemüht sich – durchgerüttelt, von Natur aus empfindlich und aus einer Vielzahl kleiner beweglicher Teile bestehend – von unserem Handgelenk aus mit aller Kraft, so nah wie möglich an der ihr anvertrauten zeitlichen Wirklichkeit zu bleiben. Die Kunst, eine Uhr mit genauer Zeitangabe zu schaffen, ist tief im Wesen der Schweizer Uhrmacherei verankert, auch wenn das in Zeiten, in denen das Design und die Stärke der Marken im Vordergrund stehen, leicht in Vergessenheit gerät

 

Longines

Record, Chronometer mit
COSC-Zertifikat

Parmigiani

Toric Qualité Fleurier,

Chronometerzertifikat der Fondation Qualité Fleurier

 

SELTENHEIT

Es gibt jedoch etwa 50 Marken, die darauf bedacht sind, ihren Kunden Uhren mit zertifizierter Präzision zu bieten. Das entspricht 6 % der exportierten Schweizer Uhren, und diese Zahl macht deutlich, dass Ganggenauigkeit nicht per Dekret erlassen oder manipuliert werden kann. Sie folgt Regeln, Normen und einer Art Ethikkodex, auf die die Allgemeinheit bauen kann. Denn zur Bescheinigung der Ganggenauigkeit bedarf es externer Instanzen. Die COSC, das Observatoire de Besançon, die Sternwarte Glashütte, das Gütesiegel «Poinçon de Genève» und die Fondation Qualité Fleurier sind ziemlich seriöse, gut ausgestattete und unabhängige Einrichtungen, deren Gangscheine als wichtige, zuverlässige und vertrauenswürdige Urkunden gelten. Einige von ihnen interessieren sich nur für die Werke, andere wiederum für die eingeschalten Kaliber. Aber alle verschreiben sich einem Qualitätsansatz, dessen Ergebnisse greifbar sind. Und trotz der Risiken, die ein öffentliches Versagen bei einer Präzisionsprüfung mit sich bringt, findet von März bis Dezember 2019 die fünfte Auflage des äusserst anspruchsvollen Chronometriewettbewerbs Concours International de Chronométrie statt.

 

Ulysse Nardin

Marine Torpilleur Military, Chronometer mit COSC-Zertifikat

 

KONZEPT

Zugegeben, die Präzisionsstandards, auf die sich diese Institute stützen, sind nicht so streng wie man es sich wünschen könnte. Bei einer maximal tolerierten täglichen Gangabweichung von -4 bis +6 Sekunden sind die internationalen Anforderungen an die Chronometrie seit 40 Jahren gleich geblieben. Die Hinnahme einer monatlichen Abweichung von schlimmstenfalls 3 Minuten ist sowohl gut als auch insofern nicht gut genug, als der Fortschritt eine der Kardinaltugenden der Uhrmacherei darstellt. Die von der COSC vorgelegten Zahlen zeigen jedoch, dass dieser Anreiz immer grösser wird. Zwischen 2009 und 2017 stieg die Zahl der präsentierten Uhren von 1 160 000 auf 1 934 000. Diese Zunahme belegt, dass die Öffentlichkeit dem Aufruf nach mehr Präzision folgt.

 

Wempe

Chronometerwerke Automatik

mit Chronometerzertifikat der Sternwarte Glashütte

Rolex

Cellini Dual Time,

Chronometer mit COSC-Zertifikat

 

GEWISSHEIT

In der Tat bereitet das Tragen eines Chronometers ein sichtliches Vergnügen. Auch wenn dieser Titel sowohl von sehr erschwinglichen als auch sehr kostspieligen Uhren getragen wird, ist er doch ein Beweis für Geschmack, ein äusseres Zeichen für Qualitätsanspruch und offen gesagt eine gewisse Form von moralischer Eleganz. Die Gewissheit einer hochwertigen Qualität in einem Universum, in dem Labels eine Seltenheit sind, ist beruhigend. Auch das Vermögen, Argumente wie umfassende, althergebrachte und unmöglich nachzuprüfende Qualität unterbinden zu können, ist wertvoll. Tatsächlich haben grossspurige Ausdrücke in der Uhrmacherei durch die Blume gesagt Hochkonjunktur und können aufgrund von fehlenden objektiven Kontrollen durch nichts und niemanden widerlegt werden. Die Pünktlichkeit ist vielleicht die Höflichkeit der Könige, aber die Chronometerzertifizierung ist mit Sicherheit die Ehrlichkeit der Marken.

 

Tudor

Black Bay Fifty-Eight, Chronometer mit COSC-Zertifikat

Baume & Mercier

Clifton Baumatic,
Chronometer mit COSC-Zertifikat

 


Paul O’neil

Chefredakteur von WorldTempus.com

 

In einer von Ultrasynchronisation und Ultrapräzision beherrschten Ära weiterhin über Chronometer zu debattieren, scheint vollkommen aus der Zeit gefallen zu sein. Für die Hochfrequenzhändler an der Börse zählt jede Tausendstelsekunde, und doch nehmen wir bei mechanischen Uhren, und in diesem Fall bei Chronometern, bereitwillig eine Gangabweichung von -4 bis +6 Sekunden pro Tag hin. Wie David es in seinem Artikel erwähnt, hat sich dieser Referenzwert seit über 40 Jahren nicht geändert. Das ist vielleicht der Grund, weshalb Marken wie Omega, Patek Philippe und Rolex eigene Kriterien festgelegt haben, die strenger als die der Offiziellen Schweizerischen Chronometerkontrolle (COSC) sind. Mit diesem Thema haben wir uns erst kürzlich eingehend auf WorldTempus befasst.

Der Uhrenfachjournalist und regelmässige Korrespondent für WorldTempus.com schreibt unsere Rubrik Innovation in einem für alle verständlichen Stil.

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