Thierry Stern : Präsident von Patek Philippe

Nächstes Jahr feiert Patek Philippe den 175. Geburtstag des Unternehmens. Was können Sie uns darüber verraten?

Seit vier Jahren entwickelt ein fünfköpfiges Team Uhrenprojekte für den 175. Geburtstag. Wie beim 150. Geburtstag enthüllen wir Neuheiten aus unterschiedlichen Sparten für Herren und Damen und hoffen, unsere Kunden damit zu überraschen. Ich möchte all diese ästhetischen und technischen Neuheiten auch in maximal zwei bis drei Jahren ausliefern. Die Besucher der Baselworld werden neben der Kollektion 2014 auch einen brandneuen Stand entdecken.

 

Welche Prioritäten hatten Sie während der ersten drei Jahre als Präsident?

Vor allem zwei: Den Märkten mein Streben nach Kontinuität und intern mein Verantwortungsbewusstsein unter Beweis zu stellen. Eine der grossen Stärken von Patek ist die sehr langfristige Ausrichtung, die voraussetzt, dass der Präsident das von seinen Vorgängern zusammengetragene Fachwissen bewahrt. Nur so können wir Komplikationen entwickeln, deren Erfolg unsere Unabhängigkeit garantiert, ohne opportunistischen Marketingverlockungen zu erliegen. Ich bin deshalb viel gereist, um unsere Einzelhändler kennenzulernen und ihnen zu erklären, dass ich dieses Erbe weiter pflegen werde. Es schien mir vor allem in Krisenzeiten sehr wichtig, ihr Vertrauen in uns zu stärken und ihnen zu garantieren, dass Patek sich auch weiterhin um Innovationen und Weiterentwicklungen bemüht, um ihnen wie bisher die qualitativ besten Zeitmesser der Welt zu liefern.

Ich hatte Glück, das Präsidium zu einem günstigen Zeitpunkt zu übernehmen. Mein Vater hat mir diese Funktion bewusst nicht zu früh übertragen. Wir hatten vorher viel darüber diskutiert und diese Stabübergabe lange gemeinsam vorbereitet. Ich war deshalb sehr gelassen. Intern ist es jedoch absolut nicht das gleiche, mit dem Sohn des Präsidenten oder mit dem neuen Präsidenten zu arbeiten. Wir verfügen über 14 Abteilungen, die von ebenso vielen und in ihren Bereichen sehr kompetenten Personen geleitet werden. Nur wenn man mit diesen Fachleuten auf Augenhöhe diskutieren kann, ist man glaub- und vertrauenswürdig. Es lasten schwere Verantwortungen auf unseren Schultern. Ich zähle stark auf sie, damit ich mich auf meine Aufgabe als Tempelhüter konzentrieren kann.

 

Welche Prioritäten haben Sie für die kommenden drei Jahre?

Natürlich die Unabhängigkeit unserer Produktion. Die Konzerne sind sehr aktiv. Es werden immer wieder Zulieferer übernommen. Ausserdem wird stark in das investiert, was ich nützliche Innovation nenne, d.h. die Hemmung. Doch nur wenige interessieren sich für kleine und flache Werke. Das ist jedoch eine unserer Stärken, die es uns insbesondere ermöglichte, komplizierte Zeitmesser für Damen anzubieten, um die uns heute viele beneiden. Ich möchte folglich die Qualität unserer Werke weiter verbessern und dabei an der Grösse, Präzision und traditionellen Ästhetik ohne Schnickschnack feilen. Silizium ist ein gutes Beispiel: Der Werkstoff bringt viel für die Hemmung, ist für Brücken und Unruhen jedoch ungeeignet.

 

Welche Strategie verfolgen Sie für Ihr Vertriebsnetz?

Da Patek Philippe keine 700 Verkaufsstellen beliefern kann, haben wir vor einigen Jahren beschlossen, die Anzahl zurückzufahren. Heute arbeiten wir entsprechend unseren Kapazitäten mit 450 Einzelhändlern zusammen. Wir möchten nun unsere Präsenz bei den strategisch wichtigsten entweder durch spezielle Corner oder von ihnen geführte Boutiquen vergrössern, wie das bereits mit 23 unserer Partner der Fall ist. Eine der Hauptaufgaben wird dann die Ausbildung des Verkaufspersonals sein. Dieses muss absolut professionell sein und Kunden, die einen Vergleich zwischen zwei Marken wünschen, mit kompetenten Argumenten begegnen können. Wir müssen ausserdem Vorsicht walten lassen und klare sowie strikte Regeln aufrechterhalten, insbesondere auf Märkten mit starken Wechselkursschwankungen.

 

In Krisenzeiten bevorzugen Kunden altbekannte Werte. Wie steht es nun in schwer definierbaren Zeiten wie den heutigen?

Der Zeitpunkt ist an sich relativ unwichtig, auch wenn die heutige Konjunktur recht kompliziert ist: Unsere Jahresproduktion liegt bei rund 50 000 Uhren ist damit weiterhin deutlich niedriger als die Nachfrage. Kunden wollen immer in eine Patek investieren, weil der Wert unserer Modelle unverändert bleibt oder sogar steigt. Genau deshalb konzentriere ich mich auch weiterhin auf unseren Kreationsrhythmus und unsere Qualität.

 

Auf welche Neuheit 2013 sind Sie besonders stolz?

Obwohl Komplikationen für Patek enorm wichtig sind, habe ich schon immer darauf gepocht, dass eine Kollektion von A bis Z gepflegt wird und wir auch jungen Menschen etwas bieten müssen, die sich für ihre Hochzeit oder ihr Diplom eine schöne Uhr kaufen möchten. Drei Jahre lang habe ich deshalb an einer neuen, erschwinglichen und ästhetisch gelungenen Calatrava für 20- bis 30-Jährige gearbeitet. Ich habe mich so sehr ins Design und die Eleganz gekniet, dass ich sogar noch ein weiteres Jahr verstreichen liess, bis ich mit dem Ergebnis zu 100% zufrieden war. Dieses von Anfang an in drei Farben angebotene Modell mit Automatikwerk verfügt über ein neues Zifferblatt und ein neuartiges Gehäuse. Das Design ist herausragend. Liebhaber dieses Genre werden vor allem vom Gehäuse begeistert sein.

 

Was wäre für Sie der absolute Gipfel der Komplikation?

Ich glaube, dass wir mit der Star Caliber die Latte schon sehr hoch gelegt haben. Mir geht es nicht um die Anzahl Komplikationen, sondern vielmehr darum, diese in einem Gehäuse mit einem Durchmesser von 42 mm und einer Höhe unterbringen zu können, die es erlauben, die Uhr auch mit einem Anzug zu tragen. Die 701 Bestandteile der Ref. 5208 sind beispielsweise das oberste Limit der für uns tragbaren ästhetischen Aggressivität. Der absolute Gipfel wäre für mich, die Qualität eines Tourbillons auch ohne Tourbillon zu erreichen. Eine schöne, diskrete und herausragend präzise Uhr. Silizium kann uns dabei weiterhelfen. Wir werden unsere Prototypen jedoch noch einige Jahre testen, um ihre Zuverlässigkeit unter Beweis zu stellen.

 

Bei der Only Watch 2011 wurde Ihre Referenz 3939 in Stahl für EUR 1,4 Millionen versteigert. An welchem Einzelstück arbeiten Sie dieses Mal?

Das Einzelstück ist bereits fertig, da es sich um eine logische Fortsetzung der Uhr des Vorjahres handelt. Der Käufer wird damit seine Kollektion vervollständigen können und dürfte der glücklichste Patek-Sammler der Welt sein. Ich bin fast ein wenig neidisch! Theoretisch sollte dieses Unikat noch einen höheren Preis erzielen als das von 2011, aber das hängt wie immer von vielen Dingen ab. Wir wollten uns von Anfang an immer weiter steigern, um der Vereinigung von Luc Pettavino* bei ihrer Forschungsarbeit im Bereich der Myopathien zu helfen. Eine weitere Steigerung scheint mir für 2015 jedoch schwierig.


Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

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