6. Forum der hohen Uhrmacherkunst: : what’s next ?

Unter der Ägide der Direktorin Fabienne Lupo hatten an den vorherigen fünf Ausgaben des Forum de la Haute Horlogerie herausragende Persönlichkeiten wie Jaques Attali, Joschka Fischer, Luc Ferry und Uli Sigg zu interessanten Themen wie Time to change, Time to rethink, Time to act, Time to share und Le Temps des Paradoxes (siehe unter gmtmag.com) Vorträge gehalten. Als Synthese der fünf vorherigen Ausgaben ging es bei What’s next um Glück, Entschleunigung und Generationenwechsel in einem zunehmend komplexen und unvorhersehbaren Umfeld.

Als Experte für Multikulturalität und internationalen Luxus überzeugte der Gründer der Creative Academy von Richemont und Präsident des Stiftungsrates der FHH, Franco Cologni, durch seinen Humor, mit dem er seine Einleitung mit dem Prolog des Hofnarren aus der Commedia dell’Arte des 17. Jahrhunderts verglich. Leicht provozierend behauptete der ehemalige Direktor von Cartier, dass es in den vergangenen sechs Jahren des Forums ebenso viele Veränderungen gegeben habe wie in den 60 Jahren zuvor. Der rüstige 80-Jährige stellte die Vorgehensweise der von Elitismus, Hierarchiedenken und starren Strukturen geprägten «alten Garde» den auf Interaktivität und Netzwerkarbeit der «jungen Leute» gründenden Methoden gegenüber.

 

Internet nutzen

Aufstieg, Bildung, Interaktion und Motivation sind seiner Meinung nach entscheidend für die Marken, um die Werte der jungen Menschen mit jenen des Luxus zu verbinden. Neue Ansätze sind für ihn die Nutzung von Technologie für Dialog und Partizipation, die Förderung von kulturellem Inhalt sowie der Schönheit von Objekten und der Aufstieg des Individuums als Person mit unverkennbarem Stil. Diana Verde Nieto, Mitbegründerin der Agentur Positive Luxury, pflichtete ihm bei. Die Millennials (die Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist) tätigen ihrer Meinung nach keinen Einkauf, ohne erst zu googeln, und entscheiden nach den Fragen wer, wann, wie und warum. Sie holen sich Rat im Internet, informieren sich detailliert auf Websites, interessieren sich für die Herkunft der Güter und Dienstleistungen, die sie konsumieren, sowie die Menschen, die sie konzipieren, und stöbern lange, bevor sie einen Einkauf tätigen. In der Uhrmacherei spielen deshalb anerkannte Websites wie worldtempus.com eine tragende Rolle als Meinungsmacher. Als Vertreter der 6. Generation der Gründerfamilie Hermès wies Axel Dumas darauf hin, dass die Kommunikation auch zum Träumen einladen müsse, indem er erklärte, wie die Marke, die er heute leitet, seit 1837 immer modern zu bleiben wusste.

 

Langsam denken

Für den charismatischen Direktor der unbeirrt auf ihre Unabhängigkeit («und somit auch auf ihre Freiheit») pochenden Marke Hermès müssen Familien, Unternehmen und Generationen ein gemeinsames Projekt verfolgen, das alle Mitglieder begeistert und zusammenschweisst. Axel Dumas appellierte auch an ein geografisches Gleichgewicht der Geschäftstätigkeiten und eine gerechte Aufteilung der Berufe, «denn keiner weiss, was morgen kommt». Die Qualität müsse als Garant für Langlebigkeit vor finanziellen Ergebnissen stehen, Geld müsse Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck sein, und alle Handlungen seien langfristig auszulegen. «Ich arbeite für die nächste Generation», erklärte er im Hinblick auf die jüngste Beteiligung von Hermès an der Einführung einer Marke in China in Zusammenarbeit mit lokalen Handwerkern und präzisierte: «Wir werden in 20 Jahren Bilanz ziehen.» Carl Honoré, Autor der Veröffentlichungen In Praise of Slowness und The Slow Fix, zitierte die grossen Industriekapitäne, die ihre Truppen zu einer Entschleunigung einladen, um letztlich schneller zum Ziel zu gelangen. 1917 sagte bereits einer von ihnen: «In einer von Schnelligkeit geprägten Zeit muss man in Ruhe nachdenken.» Der Verfechter des Slow Movement zählte die Tugenden des «besser als schneller» für berufliche Leistungen sowie für die Gesundheit und die persönlichen Beziehungen auf. Er erinnerte an die von der NASA empfohlenen 21-Minuten-Schläfchen und die positiven Auswirkungen der Meditation auf die neuronalen Verbindungen im Kortex. Der Schriftsteller und Philosoph Frédéric Lenoir widersprach ihm nicht und betonte sogar, dass die zeitgenössischen Wissenschaftler bewiesen haben, was die Weisen schon vor 2500 Jahren über das Wohlgefühl jener sagten, die sich die Zeit nehmen, die kleinen Pläsierchen des Lebens zu geniessen. Das Gehirn eines Menschen, der eine Aufgabe aufmerksam und konzentriert ausführt, schüttet Serotonin und andere, die Neurotransmitter stimulierende Substanzen aus.

 

Glück für wen?

Stéphane Garelli erklärte als Professor für internationale Wettbewerbsfähigkeit am IMD: «Unsere Bedürfnisse sind begrenzt, doch unsere Wünsche sind unbegrenzt.» Er berichtete vom geänderten Verhalten der Konsumenten, die nicht mehr nach Bedarf, sondern aus Lust kaufen. Frédéric Lenoir erinnerte daran, dass sich bereits die griechischen Philosophen die Frage stellten, wie Vergnügen in Glück verwandelt werden könne. Die Suche nach intensivem Vergnügen führt heute schon zu oft zu Frustrationen, weil der Wunsch zu häufig auf Nachahmung ausgerichtet und unersättlich ist. Wie könnten diese unmittelbaren Befriedigungen einem Zustand der inneren Gelassenheit weichen, ohne durch externe Reize verzerrt zu werden? Gemäss den Epikureern steigert begrenztes Vergnügen den Genuss. Mässigung lässt Glück solide wachsen. Für die Renaissance und Spinoza, für den Lebensfreude und Gerechtigkeit nicht unvereinbar waren, stellte die Selbstkenntnis den Schlüssel zum Glück dar: Glücklich sein setzt voraus, dass man an sich selbst arbeitet. Hier stimmt die asiatische Weisheit mit der griechischen Philosophie überein: Glück und Unglück liegen in uns selbst. Wer seine Gefühle und Gedanken beherrscht, um angemessen zu reagieren, ist für sein eigenes Glück verantwortlich. Für die Taoisten lag das Glück in der Gelenkigkeit, um sich den Bewegungen des Lebens anpassen zu können. Als Fazit empfahl Frédéric Lenoir aktive Entscheidungen, um Unglück zu vermeiden, sowie nach Glück zu streben und dennoch zu akzeptieren, wenn es sich nicht einstellt. In dem von Stéphane Garelli als zunehmend komplex und volatil beschriebenen Umfeld mit immer zahlreicheren Wirtschaftsakteuren kann dies durchaus der Fall sein. Der ehemalige Direktor des Weltwirtschaftsforums wies angesichts der sich ständig weiterentwickelnden Berechnungsmethoden mit Nachdruck darauf hin, wie wichtig es sei, an die eigene Intuition zu glauben. Mit viel Humor verglich er das Wirtschaftswachstum sogar mit einem Esel: langsam, dann schnell und wieder langsam – ohne dass jemand weiss, warum!


Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

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