Elisa Felicitas Arias : Meisterin der Zeit

Als Verantwortliche für die Berechnung und Aufrechterhaltung der koordinierten Weltzeit (UTC) als weltweiter Referenz trifft Felicitas Arias zweimal pro Jahr bei der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) in Genf die Vertreter dieser Branche sowie der Mitgliedsstaaten. Die ITU ist für die Verbreitung der UTC per Zeit- und Frequenzsignale mit Sekundeneinheiten verantwortlich und muss sich mit dem BIPM als zwischenstaatlicher Organisation bei der Festlegung der Stundensignale sowie verschiedenen Telekommunikationsaspekten, insbesondere hinsichtlich der Änderung der UTC-Definition, einigen, die die Staaten seit dem Jahr 2000 beschäftigt. Obwohl rund 150 Mitgliedsländer betroffen sind, legen nur rund zehn Staaten aus wirtschaftlichen und strategischen Gründen ein starkes Interesse an den Tag: China, Deutschland, England, Frankreich, Italien, Japan, Russland und die USA sowie bis zu einem gewissen Grad auch Kanada.

 

Wozu die Definition der UTC verändern?

Um mit der Zeit zu gehen. Doch welcher? Die atomische Zeitskala gibt es seit 1960, die UTC seit 1972 als Ersatz für die Erdumdrehungszeit, die der Schifffahrt als Referenz diente. Für die Schifffahrt ist es jedoch unerlässlich, eine Beziehung zur Drehung der Erde um die eigene Achse aufrechtzuerhalten, was das Hinzufügen einer Schaltsekunde für die Synchronisation mit der UTC voraussetzt. Als die Atomzeit zur internationalen Zeit ernannt wurde, war die Gründung einer mit der Analyse der Erdumdrehung für die Bestimmung des Unterschieds zur Atomzeit sowie die Festlegung einer Toleranz beauftragten Organisation der beste Kompromiss. Die Schifffahrt forderte, den Wert von einer Sekunde (0,9 Sekunden) nicht zu überschreiten. Die Organisation wurde IERS (International Earth Rotation Service) genannt. Seit dem Jahr 2000 und aufgrund der allgegenwärtigen neuen Technologien stört diese Schaltsekunde jedoch die Raumfahrt sowie die nicht mit analoger Zeit ausgerüsteten Netze, die sich während dieser kurzen Zeitspanne ausloggen. Die Unvorhersehbarkeit der Schaltsekunde verunmöglicht jegliche Planung. Es kann alle 18-24 Monate oder aber erst nach sieben Jahren soweit sein. Die Erde bremst manchmal, jedoch nie gleich stark. Langfristig können ruhige Phasen durch stärkeres Abbremsen kompensiert werden, sodass in einem Jahr mehr als eine Sekunde eingefügt werden muss. Bestimmte moderne Systeme versuchen ohne auszukommen, was ein Zusammenspiel von mehreren parallelen Zeitskalen voraussetzt und Risiken einer schlechten Koordination, vor allem bei Sicherheitssystemen, birgt.

 

Kampf um die Zeit

Die Zuverlässigkeit des Navigationssystems GPS hängt beispielsweise direkt von der Stabilität der Zeit ab. Die GPS-Skala ist mit der UTC ohne Schaltsekunde synchronisiert und weist derzeit eine Abweichung von 16 Sekunden auf. Diese Abweichung steigt mit jeder neuen Schaltsekunde. Nun wird die Situation aber noch komplexer, weil zum amerikanischen GPS jetzt das europäische System Galileo, das chinesische BeiDou und das russische Glonass kommen. Die Chinesen haben beschlossen, sich nicht gleich wie der Westen an der UTC zu orientieren, und sich für zwei Sekunden Differenz entschieden. Der Benutzer eines GPS-Empfängers kann heute zwischen GPS, UTC und Glonass wählen und zukünftig noch Galileo und BeiDou hinzufügen. Bestimmte Operationen mit einer Differenz von mehr als zehn Sekunden auszuführen könnte sich als sehr gefährlich erweisen. Seit fast 15 Jahren bemüht sich Felicitas Arias um eine Einigung auf eine gemeinsame Definition. Heute liefert der IERS eine Echtzeitvorhersage des Unterschieds zwischen Erdumdrehungszeit und Atomzeit mit einer viel grösseren Präzision als die 0,9 Sekunden. Die Meisterin der Zeit spricht von der Entwicklung von Zeit-Servern und neuen Satelliten-Generationen, die diese Informationen liefern können. Findet der Kampf um die Zeit im Weltall statt?

 

Nach ihrem Astronomie-Diplom in Argentinien absolvierte Felicitas Arias ihr Doktorat am Pariser Observatorium und kehrte anschliessend an die argentinische Universität zurück, um die mit der Erdumdrehung zusammenhängenden astronomischen Referenzen zu untersuchen. 1991 übernahm sie die Leitung des Schifffahrts-Observatoriums in Buenos Aires und wechselte 1999 zum BIPM in Paris.

 


Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

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