Grosse Vereinfachung

Weniger ist eindeutig mehr. Der anhaltende Trend in der Uhrmacherei lässt sich in vier Worten zusammenfassen: vereinfachen, veredeln, weglassen und verfeinern. Das Ergebnis sind Uhren, die sich besser tragen und leichter lesen lassen, bisweilen aber etwas nackt dastehen.

Design-Panerai

PANERAI Luminor Due PAM676

Design-Ulysse-Nardin

ULYSSE NARDIN Marine Torpilleur

Der Philosoph Emil Cioran und Coco Chanel waren einer Meinung. Ersterer sagte: «Geschmack zu haben bedeutet, weglassen zu können. Die Anhäufung von Dingen kommt einer Anhäufung von Schwächen gleich.» Die Dame aus der Rue Cambon gab folgenden Rat: «Bevor Sie das Haus verlassen, sollten Sie in den Spiegel schauen und ein Accessoire abnehmen.» Das Prinzip, auf dem diese übereinstimmenden Standpunkte beruhen, war noch nie so aktuell: die Beseitigung des Überflüssigen. Zahlreiche Uhren werden mit weniger Details, Zusätzen oder Texturen neu entworfen, neu aufgelegt oder sogar neu kreiert. Der Grundsatz besteht darin, Uhren mit weniger Komplikationen anzubieten. Die Vereinfachung setzt genau wie das Uhrendesign beim Werk und den Funktionen an. Die damit verbundenen Preissenkungen sind ein positiver Nebeneffekt und entsprechen zugleich der anfänglichen Motivation. Aktuell sind einfachere und auch erschwinglichere Dinge angesagt. Aber wenn man der Uhr das wegnimmt, was zu ihrer Erscheinung beiträgt, sollte man es vermeiden, das Design zu schwächen.

LEICHT ODER TIEFGREIFEND

Design-IWC

IWC Ingenieur

Der Ansatz ist bisweilen subtil und dann wieder radikal. So hat IWC die Ingenieur neu lanciert und dabei ihre Erscheinung radikal verändert. Die weniger technische, weniger beladene, dafür glattere und klassischere Uhr hat nichts mehr mit der technischen Welt der Formel 1 gemein. Auch das Design der Laureato beschränkt sich auf das Wesentliche. Die 2016 von Girard-Perregaux neu aufgelegte Uhr kehrte zu ihren Wurzeln zurück: zu einer Variante mit drei Zeigern und Datum, die mit allen Identitätsmerkmalen – und nur diesen – des Modells ausgestattet ist, das in den 42 Jahren seines Bestehens zahlreiche Veränderungen durchgemacht hat. Bei Ulysse Nardin mutet die Neuinterpretation des Beststellers wie eine Skizze an. Die Marine existiert immer noch, aber an ihrer Seite steht von nun an die Marine Torpilleur (siehe Interview mit Patrick Pruniaux auf Seite 38). Ihre Lünette ist schlanker und feiner gerändelt, die römischen Ziffern und Zeiger sind lang gezogen, und das Gehäuse ist um 3 mm kleiner.

GRÖSSE UND DETAILS

Design-Chopard

CHOPARD L.U.C XPS

Mit Verfeinern allein ist es jedoch nicht getan. Betrachtet man die Modelle der zwei Weltmeister flacher Uhren Bulgari (Octo Finissimo) und Piaget (Altiplano 900 P), stellt man fest, dass der Detailreichtum mit jedem entfernten Millimeter zunehmen kann. Die Lösung liegt also nicht nur in der Grösse. Panerai nahm folglich eine umfassende Reduzierung vor. Die im Vergleich zur Luminor um etwa 35% schlankere Luminor Due wurde in zwei Varianten mit Zifferblättern ohne Komplikationen herausgegeben. Nur eine kleine Sekunde und ein Datum. Weiter nichts. Wenige arabische Ziffern, keine römischen Ziffern, kein Schnickschnack. Sogar das Gehäuse wurde vereinfacht: Das Profil hat weniger Relief und ist weniger imposant. Letztendlich ist die ganze Uhr leichter.

KEHRTWENDE

Design-Girard-Perregaux

GIRARD-PERREGAUX Laureato 42 mm

Die L.U.C XPS von Chopard hingegen hat den entgegengesetzten Weg eingeschlagen. Auf eine Generation extrafeiner und ultra- schlichter Modelle folgte eine komplexere, detailreichere Version, die jedoch bei Weitem nicht überladen wirkt. Die Änderungen sind charakteristisch: Chopard ersetzte die schlicht und einfach aus lang gezogenen Dreiecken bestehenden Dauphine-Zeiger durch hauseigene Dauphine-Fusée-Zeiger. Die kleine Sekunde ist nunmehr vertieft und azuriert und nicht auf das Zifferblatt aufgestempelt. Die Marke fügte sogar eine aufgelegte gewölbte Zahl 12 hinzu. Indem sie einer bereits vor ihrer Zeit äusserst minimalistischen Uhr Relief und Vielfalt gab, hat sie bewiesen, dass man durch Entfernen letztendlich nur entblösst.

Der Uhrenfachjournalist und regelmässige Korrespondent für WorldTempus.com schreibt unsere Rubrik Innovation in einem für alle verständlichen Stil.

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